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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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den ganzen Tag mit ihm aus, macht mit ihm Spaziergänge im Park, schaut ihm beim Tennis zu, sitzt neben ihm, wenn die Schreiber die Post vorlesen, macht Wortspiele, liest mit ihm philosophische Werke, diskutiert wie ein Theologe mit ihm, tanzt die Nacht hindurch, entwirft Maskenspiele, plant Vergnügungen, geht als letzte zu Bett.«
    »Wirklich?« fragte ich.
    »Sie ist die perfekte Mätresse«, erwiderte er. »Sie kommt keine Sekunde zur Ruhe. Sie muß zu Tode erschöpft sein.«
    Er trank schweigend seinen Becher leer.
    »Jetzt sind wir also genausoweit wie zuvor«, sagte ich ungläubig.
    Er lächelte freundlich. »Nein, ihr seid wohl schlechter dran als zuvor«, meinte er. »Denn nun ist bekannt, wonach ihr trachtet, daß ihr es auf den Thron abgesehen habt. Vorher schien es, als wäret ihr nur auf Rang und Reichtum aus wie wir anderen, bloß mit ein wenig mehr Raffgier. Nun wissen alle, daß ihr es auf den höchsten Apfel am Baum abgesehen habt, und hassen Euch dafür.«
    »Mich nicht«, warf ich leidenschaftlich ein. »Ich bleibe hier.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ihr kommt mit mir nach Norfolk.«
    Ich erstarrte. »Wie meint Ihr das?«
    »Der König hat keine Verwendung mehr für Euch, ich dagegen schon. Ihr kommt mit mir in mein Zuhause.«
    »Die Kinder …«
    »Kommen mit. Wir leben, wie ich es wünsche.« Er hielt inne. »Wie
ich
es wünsche«, wiederholte er.
    |292| Ich sprang auf, hatte plötzlich Angst vor ihm. »Ich habe immer noch mächtige Verwandte«, warnte ich ihn.
    »Darüber solltet Ihr Euch freuen«, meinte er. »Denn wenn Ihr sie nicht hättet, dann hätte ich Euch schon vor fünf Jahren verstoßen, als Ihr mir zum ersten Mal Hörner aufsetztet. Es sind schlechte Zeiten für Ehefrauen, Madam. Ich denke, Ihr und Eure Familie werdet feststellen, daß Ihr alle miteinander in dem Sumpf, den Ihr selbst geschaffen habt, versinkt.«
    »Ich habe nur meiner Familie und meinem König gehorcht.« Meine Stimme schwankte nicht. Ich wollte nicht, daß er merkte, wie sehr ich mich fürchtete.
    »Und jetzt gehorcht Ihr Eurem Ehemann«, säuselte er. »Wie froh ich bin, daß Ihr so viele Jahre geübt habt.«
     
    Anne,
    William hat mir mitgeteilt, daß die Sache der Boleyns verloren ist, und will mich und die Kinder mit nach Norfolk nehmen. Um Himmels willen, verwende Dich beim König oder bei Onkel oder Vater für mich, ehe er mich auf Nimmerwiedersehen mitnimmt. M.
     
    Ich schlich die kleine Steintreppe hinunter auf den Burghof. Ich rief einen der Boleyn-Bediensteten zu mir und bat ihn, mit meiner Botschaft zum Hof zu reiten, der irgendwo auf der Straße zwischen Beaulieu und Greenwich sein mußte. Der Mann lüftete den Hut und nahm den Brief entgegen. »Sorgt dafür, daß Mistress Anne ihn bekommt«, schärfte ich ihm ein. »Es ist dringend.«
    Wir aßen im Großen Saal zu Abend. William war wie immer der vollendete Höfling, unterhielt mich mit Neuigkeiten und Tratsch. Großmutter Boleyn nahm ihm übel, daß er uns entführen wollte, wagte aber nicht, sich zu beklagen. Wer konnte einem Mann versagen, seine Frau und seine Kinder mit nach Hause zu nehmen?
    »Ich gehe ins Bett«, schmollte sie, kaum daß man die Kerzen gebracht hatte. William sprang auf und verneigte sich, als sie das Zimmer verließ.
    |293| Ehe er sich wieder hinsetzte, zog er aus der Weste einen Brief hervor. Ich erkannte meine Handschrift. Es war mein Brief an Anne. Er warf ihn vor mir auf den Tisch.
    »Nicht besonders treu ergeben«, meinte er.
    Ich nahm den Brief zur Hand. »Nicht sehr höflich, meine Bediensteten anzuhalten und meine Briefe zu lesen.«
    Er lächelte mir zu. »
Meine
Bediensteten und
meine
Briefe«, sagte er. »Ihr seid meine Frau. Alles, was Euch gehört, gehört auch mir. Und mein Eigentum behalte ich. Einschließlich der Kinder und der Frau, die meinen Namen tragen.«
    Ich saß ihm gegenüber und legte die Hände flach auf den Tisch. Ich holte tief Luft und versuchte mich daran zu erinnern, daß ich zwar gerade einmal neunzehn Jahre alt war, aber viereinhalb dieser Jahre als Mätresse des Königs von England verbracht hatte, daß ich als Howard geboren und aufgewachsen war.
    »Jetzt hört mir gut zu, lieber Ehemann«, sagte ich ruhig. »Was vergangen ist, ist vergangen. Ihr wart es zufrieden genug, Euch Titel, Ländereien, Reichtum und die Gunst des Königs zu erwerben, und wir wissen alle, warum Euch all das zugefallen ist. Ich schäme mich deswegen nicht, und auch Ihr braucht Euch deswegen nicht zu schämen. Jeder in

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