Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
Eurer Situation hätte sich darüber gefreut, aber wir wissen beide, daß es durchaus mit Mühen verbunden ist, wenn man sich die Gunst des Königs erwerben und erhalten will.«
William schaute mich angesichts meiner plötzlichen Offenheit recht konsterniert an.
»Die Howards werden durch dieses Mißgeschick Wolseys nicht zu Fall kommen. Wolsey hat sich verrechnet, nicht wir. Das Spiel ist noch lange nicht aus, und wenn Ihr meinen Onkel Howard ebensogut kennen würdet wie ich, dann hättet Ihr nicht so übereilt angenommen, daß er geschlagen ist.«
William nickte.
»Ich bin mir sehr sicher, daß uns unsere Feinde auf den Fersen sind, daß die Seymours bereit sind, auf den kleinsten Wink hin sofort unseren Platz einzunehmen, daß bereits jetzt irgendein Seymour-Mädchen in England darauf vorbereitet |294| wird, das begehrliche Auge des Königs auf sich zu ziehen. Das ist immer so. Es gibt immer Rivalinnen. Aber im Augenblick geht Annes Stern auf, ob der König nun frei ist, sie zu heiraten, oder nicht. Und alle Howards – und damit auch Ihr, mein lieber Ehemann – dienen unseren Interessen am besten, wenn wir Annes Aufstieg unterstützen.«
»Es sieht jedoch so aus, als bewegte sie sich auf sehr dünnem Eis«, meinte er brüsk. »Sie bemüht sich zu sehr. Sie strengt sich zu sehr an, stets an seiner Seite zu sein, sie läßt keinen Augenblick locker. Jeder, der ein bißchen genauer hinschaut, kann das sehen.«
»Was macht das schon, solange nur der König nichts merkt?«
William lachte. »Sie hält ihn an der kurzen Leine, aber sie kann nicht ewig so weitermachen. Sie könnte ihn vielleicht bis zum Herbst hinhalten, aber keine Frau schafft das unendlich lange. Jetzt, nach Wolseys Fehler, könnte es um Monate gehen, vielleicht um Jahre.«
Ich verweilte ein wenig bei dem Gedanken, daß Anne über all diesen Vergnügungen immer älter wurde. »Aber was kann sie sonst tun?«
»Nichts«, antwortete er mit wölfischem Grinsen. »Aber Ihr und ich, wir können in mein Haus ziehen und als Ehepaar zusammen leben. Ich hätte gern einen Sohn, der mir ähnelt und kein kleiner blonder Tudor ist. Ich möchte eine Tochter mit meinen dunklen Augen. Und Ihr werdet sie mir schenken.«
Ich neigte den Kopf. »Ich lasse mir keine Vorwürfe machen.«
Er zuckte die Achseln. »Ihr werdet jede Behandlung ertragen, die ich Euch angedeihen lasse. Ihr seid meine Frau, oder nicht?«
»Ja.«
»Es sei denn, Ihr möchtet die Ehe annullieren lassen, da ja augenscheinlich der Ehestand aus der Mode gekommen ist? Ihr könntet Euch auch in ein Kloster zurückziehen, wenn Ihr das wünscht?«
»Nein.«
|295| »Dann geht in mein Bett«, sagte er schlicht. »Ich komme bald nach.«
Ich erstarrte bei diesen Worten. Daran hatte ich nicht gedacht. Er schaute mich über den Weinbecher hinweg an. »Was ist?«
»Können wir damit nicht bis Norfolk warten?«
»Nein«, erwiderte er.
Ich kleidete mich langsam aus, wunderte mich über mein Zögern. Dutzende von Malen hatte ich mit dem König das Bett geteilt, wenn ich nicht den Wunsch danach empfunden hatte, sondern nur ihm zu Gefallen war.
Ich war keine dreizehnjährige Jungfrau mehr, wie damals, als man mich zum ersten Mal mit meinem Mann in ein Bett steckte, aber ich war auch noch nicht so abgebrüht, daß ich mich ohne Unbehagen darauf vorbereiten konnte, mit einem Mann zu Bett zu gehen, der mir fast wie ein Feind erschien.
William ließ sich Zeit. Ich stieg langsam ins Bett und gab vor zu schlafen, als er ins Zimmer trat. Ich hörte, wie er sich auszog und neben mir ins Bett schlüpfte, spürte, wie er die Bettdecke um die nackten Schultern zog.
»Ihr schlaft noch nicht?«
»Nein«, gab ich zu.
In der Dunkelheit streckte er seine Hände nach mir aus, fand mein Gesicht, streichelte mir Nacken und Schultern, dann zur Taille herab. Ich spürte seine kalten Hände durch das feine Tuch meines Nachthemdes, hörte, wie sich sein Atem beschleunigte. Er zog mich an sich. Ich gab nach, machte mich für ihn bereit, wie ich es für Henry getan hatte. Dann zögerte ich.
»Ihr seid nicht willens?« fragte er.
»Natürlich bin ich willens. Ich bin Eure Frau«, erwiderte ich tonlos.
Sein kleiner Seufzer der Enttäuschung zeigte mir, daß er sich wirklich eine herzlichere Reaktion erhofft hatte. »Dann wollen wir schlafen.«
Ich war so erleichtert, daß ich nicht wagte, noch ein einziges |296| Wort zu sprechen, falls er seine Meinung noch einmal änderte. Völlig reglos wartete ich, bis er mir den
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