Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
aus dem Gesicht geschnitten, das kleine mondgesichtige Ding!«
    Ich zögerte. Es hatte keinen Sinn, mit Anne zu streiten. Prinzessin Mary war zu einem jungen Mädchen von erlesener Schönheit herangewachsen. In ihrem Gesicht spiegelten sich Charakterstärke und Entschlossenheit. Sie war von Kopf bis Fuß die Tochter ihrer Mutter. Wenn sie durch den Saal zu Anne und mir blickte, war es, als sähe sie geradewegs durch uns hindurch. Sie schien uns nicht zu beneiden, uns nicht als Rivalinnen um die Gunst ihres Vaters oder gar als Gefahr für die Position ihrer Mutter zu betrachteten. Für sie waren wir nichts als zwei junge Frauen, die so wenig Substanz hatten, daß jeder Hauch sie fortwehen konnte.
    Prinzessin Mary war gescheit, konnte mit ihren elf Jahren bereits Wortspiele und Scherze in englischer, französischer, spanischer oder lateinischer Sprache machen. Auch Anne hatte einen flinken Verstand und war gebildet, doch ihr fehlte die Erziehung dieser kleinen Prinzessin, und sie beneidete sie darum. Ob Anne nun Königin wurde oder nicht, sie hatte sich ihre Privilegien und ihre Position erst erkämpfen müssen. Prinzessin Mary war hineingeboren. Sie besaß ein Selbstvertrauen, das keine von uns je erlernen konnte. Ihre Grazie beruhte auf der absoluten Gewißheit, was ihre Stellung in der Welt anging. Natürlich haßte Anne sie.
    »Sie ist ein Nichts«, tröstete ich sie. »Laß mich dein Haar bürsten.«
    Es klopfte leise an der Tür, und George kam eilig ins Zimmer, ehe wir »Herein!« rufen konnten.
    »Ich lebe stets in tausend Nöten, daß mich meine Frau erwischen könnte«, entschuldigte er sich. Er schwenkte eine Flasche Wein und drei Zinnbecher. »Sie hat getanzt und ist heute abend ganz scharf auf mich. Sie hat mich praktisch ins |307| Ehebett befohlen. Wenn sie sähe, wie ich zu euch schleiche, wäre sie außer sich vor Wut.«
    »Sie muß dich gesehen haben.« Anne nahm einen Becher Wein von George entgegen. »Ihr entgeht nichts.«
    »Sie hätte Spionin werden sollen.«
    Ich kicherte und ließ mir Wein einschenken. »Um dir auf die Spur zu kommen, braucht man kein besonderes Geschick«, stellte ich fest. »Du bist immer hier bei uns.«
    »Es ist der einzige Ort, wo ich mich nicht verstellen muß.«
    »Auch nicht im Hurenhaus?« fragte ich.
    »Ich gehe da nicht mehr hin. Ich habe den Geschmack daran verloren.«
    »Bist du etwa verliebt?« fragte Anne zynisch.
    Zu meiner Überraschung wandte er sich ab und errötete. »Ich doch nicht.«
    »Was ist los mit dir, George?« wollte ich wissen.
    »Alles und nichts. Ich kann euch nichts erzählen. Und ich wage auch nichts zu tun.«
    »Jemand bei Hof?« drang Anne neugierig in ihn.
    Er zog einen Schemel vor den Kamin und blickte tief in die Glut. »Wenn ich es euch sage, müßt ihr mir versprechen, es niemandem weiterzuerzählen.«
    Wir nickten, vereint in unserer Neugier.
    »Ihr dürft nicht einmal miteinander darüber reden, wenn ich weg bin. Ich möchte nicht, daß ihr hinter meinem Rücken eure Kommentare abgebt.«
    Diesmal zögerten wir. »Wir sollen schwören, nicht einmal untereinander darüber zu reden?«
    »Ja, sonst sage ich gar nichts.«
    Wir zögerten, doch dann gewann die Neugier die Oberhand. »Nun gut«, meinte Anne. »Wir schwören es.«
    Sein junges, hübsches Gesicht verzog sich. »Ich bin in einen Mann verliebt«, sagte er schlicht.
    »Francis Weston«, entfuhr es mir sofort.
    Sein Schweigen verriet mir, daß ich richtig geraten hatte.
    Annes Gesicht spiegelte blankes Entsetzen. »Weiß er davon?«
    |308| Er schüttelte den Kopf.
    »Weiß sonst jemand davon?«
    Wieder schüttelte er die braunen Locken.
    »Dann darfst du niemals auch nur eine Andeutung machen, mit niemandem darüber sprechen«, befahl sie ihm. »Du mußt ihn dir aus dem Herzen und aus den Gedanken reißen, darfst ihn nicht einmal mehr ansehen.«
    Er blickte zu ihr auf. »Ich weiß selbst, daß es hoffnungslos ist.«
    Aber Annes Ratschlag war nicht der Besorgnis um den Bruder entsprungen. »Du bringst mich in Gefahr«, erklärte sie. »Der König heiratet mich niemals, wenn du uns solche Schande bereitest.«
    »Das ist es also?« brauste er auf. »Nur darum geht es? Es ist unwichtig, daß ich verliebt bin und wie ein Narr in Sünde verstrickt? Es geht nicht darum, daß ich niemals glücklich werden kann, da ich doch mit einer falschen Schlange verheiratet und in einen Herzensbrecher verliebt bin, nein, es geht einzig und allein darum, daß der Ruf von Mistress Anne Boleyn über allen

Weitere Kostenlose Bücher