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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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hämisch. »Dafür habe ich gesorgt. Sie spazieren nicht mehr los und halten ihre freundschaftlichen kleinen Besprechungen ab. Nichts wird mehr ohne mich entschieden. Wolsey ist aus dem inneren Kreis der Macht verdrängt worden, und ich bin drinnen.«
    »Das hast du wunderbar gemacht«, lobte ich sie, und meine Worte widerten mich so sehr an, wie sie Anne trösteten. »Und du hast noch viele Jahre vor dir, Anne.«

|304| Winter 1527
    Zwischen William und mir spielte sich eine freundliche Routine ein, beinahe ein häusliches Idyll, wenn sich auch immer noch alles um die Wünsche des Königs und meiner Schwester Anne drehte. Ich schlief nachts noch im gleichen Bett wie sie und lebte im Grunde wie eh und je mit ihr in unseren Gemächern zusammen. Nach außen hin waren wir beide weiterhin Hofdamen der Königin.
    Aber Anne war von morgens bis abends beim König, war an seiner Seite wie eine neuvermählte Braut, seine wichtigste Beraterin, seine beste Freundin. Sie kehrte nur in unsere Räume zurück, um sich umzuziehen, sich kurz auf dem Bett auszuruhen, während er die Messe hörte oder mit seinen Herren ausritt. Dann lag sie reglos und erschöpft da, ihr Blick war leer. Sie atmete bewußt langsam und gleichmäßig und sprach kein Wort.
    Ich hatte gelernt, sie in Ruhe zu lassen. Sie mußte sich von ihrer öffentlichen Vorstellung erholen können, draußen mußte sie unaufhörlich Charme in alle Richtungen versprühen. Würde sie einen winzigen Augenblick lang nicht so strahlend wie sonst wirken, schon würde ein Sturm von Gerüchten losbrechen.
    Wenn sie dann aufstand und zum König ging, verbrachten William und ich die Zeit miteinander. Wir begegneten einander beinahe wie Fremde, und er umwarb mich. Es war das Seltsamste und Liebenswerteste, was je ein entfremdeter Gatte für seine auf Abwege geratene Ehefrau getan hat. Er überhäufte mich mit liebevollen kleinen Geschenken und Briefchen, und immer wenn wir einander bei einem Bankett, bei den Schießscheiben der Bogenschützen oder als Zuschauer bei den Tennisplätzen trafen, lehnte er sich zu mir herüber und flüsterte mir zu: »Kommt mit in mein Gemach, liebe Frau.«
    |305| Dann lachte ich leise auf, als sei ich seine Mätresse und nicht seit vielen Jahren mit ihm verheiratet, und entfernte mich von der Menge. Wenige Augenblicke später schlich auch er sich davon, um mich in seinem kleinen Schlafgemach an der westlichen Außenmauer von Greenwich Palace zu treffen. Dort nahm er mich in die Arme und raunte mir verführerisch zu: »Wir haben nur einen Augenblick, Liebste, höchstens eine Stunde: Sie soll dir allein gehören.«
    Er legte mich aufs Bett, schnürte mein enges Mieder auf, liebkoste meine Brüste, streichelte mich und bereitete mir auf jede nur erdenkliche Art Wonne, bis ich vor Entzücken aufschrie: »O William, o mein Liebster!«
    Dann verströmte er sich in mir und ließ sich mit einem Seufzer fallen.
    Für mich war es Lust und Verlangen, zu einem geringen Teil auch Berechnung. Wenn Anne in Ungnade fiel und wir Boleyns mit ihr, dann wäre ich froh, einen Ehemann zu besitzen, der mich liebte und ein stolzes Herrenhaus in Norfolk, einen Titel und einigen Reichtum sein eigen nannte. Außerdem trugen die Kinder seinen Namen, und er konnte sie jederzeit zu sich befehlen, wenn es ihm gefiel. Wenn ich nur meine Kinder behalten durfte, hätte ich selbst dem Satan Liebesworte zugeflüstert.
     
    Anne war während der Weihnachtsfestlichkeiten ungeheuer fröhlich. Sie tanzte unermüdlich Tag und Nacht. Sie gebärdete sich beim Glücksspiel, als hätte sie ein königliches Vermögen zu verlieren. Mit mir und George hatte sie eine Abmachung getroffen: Wir gaben ihr den Gewinn später heimlich zurück. Aber wenn sie gegen den König verlor, verschwand ihr sauer verdientes Geld auf Nimmerwiedersehen in der königlichen Börse. Und sie mußte gegen ihn verlieren, wenn sie spielten: Er konnte es nicht ertragen, besiegt zu werden.
    Er überhäufte sie mit Geschenken und Ehrungen, er führte sie bei jedem Tanz aufs Parkett. Sie war die Königin in jedem Maskenspiel. Aber immer noch präsidierte Katherine bei Tisch und lächelte Anne zu, als seien dieser all die Ehrungen |306| mit ihrer Einwilligung zuteil geworden. Und Prinzessin Mary, die kleine Prinzessin mit dem mageren Gesichtchen, saß neben ihrer Mutter und schaute drein, als sei sie höchst amüsiert über diese leichtlebige Konkurrentin.
    »Gott, wie ich sie hasse!« fauchte Anne eines Abends. »Sie ist beiden wie

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