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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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zärtlich. »Wenn ich eine Weile nicht bei Hof bin, paßt gut auf Euch und unsere Kinder auf.«
    »Natürlich«, erklärte ich. »Aber Ihr kommt zurück, sobald es Euch besser geht?«
    |314| »Sobald ich gesund bin, komme ich wieder«, versprach er. »Ihr geht nach Hever zu den Kindern.«
    »Ich weiß nicht, wann sie mich weglassen.«
    »Brecht noch heute auf«, riet er mir. »Es wird großes Chaos herrschen, wenn man erst weiß, wie viele Menschen vom Schweißfieber befallen sind. Auch in der Stadt steht es sehr schlimm, meine Liebste. Henry wird fliehen wie ein Hase, glaubt mir. Eine ganze Woche lang wird Euch niemand vermissen. Auf dem Land seid Ihr und die Kinder in Sicherheit. Bittet George, Euch nach Hever zu begleiten. Jetzt geht.«
    Ich zögerte einen Augenblick.
    »Mary, und wenn es die letzten Worte wären, die ich an Euch richte, ich meine es verteufelt ernst. Geht nach Hever, und sorgt für die Kinder. Es wäre furchtbar, wenn Eure Kinder Vater und Mutter durch das Schweißfieber verlören.«
    »Wie meint Ihr das? Ihr werdet doch nicht sterben?«
    Er rang sich ein Lächeln ab. »Natürlich nicht. Aber ich wäre bei meiner Heimreise sehr beruhigt, wenn ich Euch in Sicherheit wüßte. Sucht George, und sagt ihm, daß ich Euch befohlen habe, aufs Land zu gehen, daß er Euch sicheres Geleit geben solle.«
    Ich trat einen halben Schritt ins Zimmer.
    »Kommt nicht näher!« herrschte er mich an. »Geht!«
    Sein Ton war barsch, und ich machte recht ungehalten auf dem Absatz kehrt und ging aus dem Zimmer, schloß die Tür mit einem kleinen Knall hinter mir, um ihm deutlich zu machen, daß er mich gekränkt hatte.
    Ich sollte ihn das letzte Mal gesehen haben.
     
    George und ich waren kaum eine Woche in Hever, als Anne im offenen Wagen angereist kam. Sie war noch sehr schwach, und weder George noch ich hatte den Mut, sie selbst zu pflegen. Eine Kräuterfrau aus Edenbridge kam ins Haus. Das ganze Land war entweder in den Klauen der Krankheit oder fürchtete sich vor dem Fieber. Es war eine schreckliche Krankheit, und jeden Morgen wachten George und ich in Angstschweiß gebadet auf und fragten uns, ob auch wir dem Tod geweiht waren.
    |315| Beim ersten Auftreten der Krankheit war der König sogleich nach Hunsdon geflohen. Das allein war schon schlimm genug für uns Boleyns. Der Hof war in Aufruhr, das Land in den Klauen des Todes. Doch schlimmer für uns war: Königin Katherine war gesund, Prinzessin Mary wohlauf, und den ganzen Sommer lang reisten die beiden mit dem König, als seien sie die einzigen vom Himmel begünstigten Menschen.
    Anne kämpfte um ihr Leben, wie sie um den König gekämpft hatte. Liebesbriefe vom König aus Hunsdon, Tittenhanger oder Ampthill empfahlen diese oder jene Heilmethode, schworen, daß er sie nicht vergessen habe und immer noch liebe. Die Scheidung konnte nicht vorangetrieben werden, denn es wurden keinerlei Amtsgeschäfte getätigt, da sogar der Kardinal erkrankt war. Die Königin war stets an der Seite des Königs, und ihre zauberhafte kleine Tochter war den beiden beste Gesellschaft und Unterhaltung. In diesem Sommer war alles zum Stillstand gekommen.
    Zum Glück für uns Boleyns verschonte das Schweißfieber Hever, und die Kinder und ich waren inmitten der vertrauten grünen Felder und Wiesen sicher geborgen. Williams Mutter teilte mir in einem Brief mit, daß er, wie er es sich gewünscht hatte, sein Zuhause noch erreichte, ehe er starb. Es war ein kurzer, kühler Brief, in dem sie mir am Schluß zu meiner wiedergewonnenen Freiheit gratulierte. Damit wollte sie wohl der Meinung Ausdruck geben, daß mich mein Treuegelübde auch in der Vergangenheit nicht sonderlich eingeschränkt hatte.
    Ich las den Brief im Garten an meinem Lieblingsplatz, von dem aus ich einen Blick auf den Wassergraben und die Burgmauern hatte. Ich dachte an den Mann, den ich betrogen hatte und der mir in den letzten Monaten ein so wunderbarer Liebhaber und Ehemann geworden war. Ich wußte, daß ich ihm nie gegeben hatte, was ihm zustand. Er hatte mich geheiratet, ich hatte ihn verlassen müssen, und selbst als ich zu ihm zurückkehrte, war doch in meinem Kuß immer noch eine Spur Berechnung gewesen.
    Nun wurde mir klar, daß sein Tod mir die Freiheit geschenkt hatte. Wenn ich es schaffte, mich nicht wieder zu |316| verheiraten, könnte ich vielleicht ein kleines Gut auf den Ländereien meiner Familie in Kent oder Essex kaufen, Feldfrüchte anbauen und heranreifen sehen, endlich eine selbständige Frau werden,

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