Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
Tadel erhaben sein muß.«
    Sie stürzte sich wild auf ihn. Er packte sie bei den Handgelenken, ehe sie ihm das Gesicht zerkratzen konnte. »Schau mich an!« zischte sie. »Habe ich nicht auch meine einzige Liebe aufgegeben, und hat es mir nicht das Herz gebrochen? Hast du selbst mir damals nicht gesagt, es sei den Preis wert?«
    Er hielt sie auf Armeslänge, aber sie war nicht mehr zu bremsen. »Sieh dir Mary an! Haben wir sie nicht von ihrem Ehemann weggerissen? Und jetzt mußt eben auch du jemanden aufgeben. Auch du mußt die große Liebe deines Lebens verlieren, wie ich, wie Mary. Jammere mir nichts von gebrochenem Herzen vor. Du hast meine Liebe getötet. Wir haben sie gemeinsam begraben, und jetzt ist sie fort.«
    George rang mit ihr. Ich packte sie von hinten und zerrte sie von ihm weg. Plötzlich schwand ihr Kampfeswille, und wir drei standen starr und wie gebannt da: Ich hatte die Arme um ihre Taille geschlungen, er hielt sie bei den Handgelenken, und ihre Krallen schwebten noch immer wenige Zoll vor seinem Gesicht.
    |309| »Großer Gott, was sind wir doch für eine Familie«, murmelte George. »Was ist bloß aus uns geworden?«
    »Was in Zukunft noch aus uns wird, darauf kommt es an«, konterte sie brüsk.
    George hielt ihrem Blick stand und nickte bedächtig, als schwöre er einen feierlichen Eid. »Ja«, seufzte er. »Ich werde es niemals vergessen.«
    »Du gibst deine Liebe auf«, befahl sie. »Und erwähnst seinen Namen nie wieder.«
    Wieder das Nicken des Besiegten.
    »Und du vergißt nicht, daß nichts wichtiger ist als das eine: mein Weg zum Thron.«
    »Ich werde mich stets daran erinnern.«
    Mir lief es eiskalt über den Rücken. Ich ließ Anne los. Irgend etwas an diesem geflüsterten Schwur vermittelte mir das Gefühl, als gäbe er nicht nur Anne ein Versprechen, sondern schlösse einen Pakt mit dem Teufel selbst.
    »Sagt das nicht.«
    Sie schauten mich an. Beide hatten die braunen Augen der Boleyns, die lange, schmale Nase, den frechen Mund.
    »Der Thron ist nicht ein ganzes Leben wert«, beschwor ich sie.
    »Doch«, sagte Anne schlicht.

|310| Sommer 1528
    Anne tanzte, ritt, sang, spielte, ging auf Picknicks, spazierte im Garten umher und wirkte an lebenden Bildern mit, als hätte sie keine anderen Sorgen. Sie wurde immer blasser, die Schatten unter ihren Augen wurden dunkler und dunkler. Ich schnürte ihr Mieder lockerer, denn sie war mager geworden. Schließlich mußten wir sogar ihr Kleid auswattieren, damit ihre Brüste noch so prall wirkten wie früher.
    Sie blickte mir im Spiegel in die Augen, als ich sie schnürte. Sie sah um Jahre älter aus als ich.
    »Ich bin so müde«, flüsterte sie. Sogar ihre Lippen waren blaß. »Ich habe dich gewarnt«, erwiderte ich unbarmherzig.
    Ich beugte mich vor, so daß sie meine blühenden Wangen, meine strahlenden Augen und meine gesunde Farbe neben ihrem ausgezehrten, müden Gesicht sehen konnte. »Aber ich habe ja weder Geist noch Schönheit, nicht?« sagte ich.
    »Ich ruhe mich jetzt aus«, entgegnete sie ungnädig. »Du kannst gehen.«
    Ich brachte sie zu Bett und verließ das Zimmer, rannte hinunter in den Garten. Es war ein wunderbarer Tag, die Sonne schien hell und warm. Eine leichte Brise wehte flußaufwärts und brachte einen Duft von Salz und Abenteuer mit. Ich sah meinen Mann mit einigen anderen Herren auf der unteren Terrasse spazieren und winkte ihm zu.
    Sofort entschuldigte er sich bei seinen Gefährten und kam zu mir.
    »Nun, wie geht es Euch, Lady Mary? Ihr seid heute so schön wie eh und je.«
    »Wie geht es Euch, Sir William?«
    »Gut. Wo sind Anne und der König?«
    »Sie ist in ihrem Gemach. Der König ist ausgeritten.«
    |311| »Ihr seid also frei?«
    »Wie ein Vogel in der Luft.«
    Er schenkte mir sein Verschwörerlächeln. »Darf ich um das Vergnügen Eurer Gesellschaft bitten? Sollen wir einen kleinen Spaziergang machen?«
    »Gewiß.«
    Er hakte mich unter, und wir schlenderten über die untere Terrasse. Er lehnte sich zu mir herüber und flüsterte mir ins Ohr: »Ihr seid ein überaus köstliches Geschöpf, liebe Frau. Bitte sagt mir, daß wir nicht lange spazierengehen müssen.«
    Ich mußte lachen, blickte ihn aber nicht an. »Jeder, der mich aus dem Palast kommen sah, wird wissen, daß ich erst seit wenigen Minuten im Garten bin.«
    »Ihr gehorcht doch nur Eurem Ehemann«, erklärte er überzeugend. »Sehr bewundernswertes Verhalten einer Gattin.«
    »Wenn Ihr es anordnet«, antwortete ich.
    »Jawohl«, erwiderte er ruhig.

Weitere Kostenlose Bücher