Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
herausgekommen …«
Wieder übertönte sein schallendes Gelächter meine Worte, und die Höflinge auf der Treppe hinter uns reckten die Hälse, um zu sehen, was den König so amüsierte und warum ich errötete und mitlachen mußte.
Henry packte mich bei der Taille und umarmte mich fest. »Mary, ich bete Euch an!« sagte er. »Ihr seid die Beste unter den Boleyns, denn niemand bringt mich so zum Lachen wie Ihr. Führt mich zu meiner Frau, ehe Ihr etwas so Schreckliches sagt, daß ich Euch enthaupten lassen muß.«
Ich entzog mich seiner Umarmung und führte ihn in die Gemächer der Königin. Gefolgt von all seinen Herren, trat er ein. Anne war nicht im Audienzzimmer, sondern in ihrem Privatgemach. Ich klopfte leise an die Tür und kündigte den König an. Sie stand noch immer mit offenem Haar da, die Haube in der Hand, umgeben von diesem wunderbaren Strahlen.
Henry trat ein. Ich schloß die Tür hinter ihm und stellte mich vor die Tür, so daß kein Lauscher nah genug herankommen konnte. Es war der größte Augenblick in Annes Laufbahn, und sie sollte ihn auskosten dürfen. Sie konnte jetzt dem König mitteilen, daß sie schwanger war, daß sie zum ersten Mal seit Elizabeth die Bewegung eines Kindes gespürt hatte.
William kam herein und sah mich bei der Tür stehen. Er kämpfte sich durch die Menge zu mir. »Stehst du Wache?« fragte er. »Du hast die Arme in die Hüften gestemmt wie ein Fischweib, das seine Eimer bewacht.«
»Sie teilt ihm gerade mit, daß sie schwanger ist. Und sie hat |584| das Recht, dabei nicht von irgendeinem verdammten Seymour-Mädchen gestört zu werden.«
Neben William tauchte George auf. »Sagt sie es ihm?«
»Das Kind hat sich bewegt«, erklärte ich und lächelte meinem Bruder ins Gesicht. »Sie hat es gespürt. Sie hat mich gleich den König holen geschickt.«
Ich hatte erwartet, daß er sich freuen würde. Aber er reagierte ganz anders. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. So sah George immer aus, wenn er etwas angestellt hatte. Er schaute schuldbewußt. Einen Augenblick lang war ich mir absolut sicher, daß er kein reines Gewissen hatte. Ich ahnte, daß Anne ihn auf ihrer Reise an die Pforten der Hölle als Reisegefährten mitgenommen hatte, um dieses Kind für England zu empfangen.
»O Gott, was habt Ihr beide bloß getan?«
Sofort erschien wieder sein leeres Höflingslächeln. »Nichts! Nichts. Wie sie sich freuen werden! Wir durchleben stürmische Tage! Katherine ist tot, und der neue Prinz hat sich in ihrem Schoß gerührt. Vivat Boleyn!«
William lächelte. »Eure Familie hat mich schon immer durch die Fähigkeit beeindruckt, daß ihr alles stets nur im Lichte eurer eigenen Interessen seht«, sagte er höflich.
»Meint Ihr meine Freude darüber, daß die Königin tot ist?«
»Die Prinzessinnenwitwe«, verbesserten William und ich ihn wie aus einem Munde.
George grinste. »Ja. Sie. Natürlich feiern wir das. Euer Problem, William, ist, daß Ihr keinen Ehrgeiz habt. Ihr seht nicht, daß es im Leben nur ein Ziel geben kann.«
»Und das wäre?« fragte William.
»Mehr«, erwiderte George schlicht. »Mehr von allem.«
Den ganzen kalten, dunklen Januar hindurch saßen Anne und ich zusammen, lasen, spielten Karten und lauschten ihren Musikanten. George war stets bei Anne, fürsorglich wie ein liebender Gatte, holte ihr ständig Getränke, stützte ihren Rücken mit Kissen. Sie blühte unter seiner Aufmerksamkeit auf. Sie fand Gefallen an meiner Tochter Catherine und wollte |585| sie auch immer um sich haben. Ich beobachtete die Kleine genau, wie sie die Manieren der Hofdamen nachahmte, bis sie mit der gleichen Anmut Karten mischen oder die Laute zur Hand nehmen konnte.
»Aus ihr wird ein echtes Boleyn-Mädchen«, pries Anne sie. »Gott sei Dank hat sie meine Nase und nicht deine.«
»Auch ich danke Gott jeden Abend dafür«, meinte ich, obwohl Sarkasmus an Anne verschwendet war.
»Wir könnten uns nach einem guten Mann für sie umschauen«, sagte Anne. »Als meine Nichte sollte sie eine wunderbare Partie machen. Der König selbst wird sich für sie einsetzen.«
»Ich möchte nicht, daß sie schon heiratet, zumindest nicht gegen ihren Willen«, erwiderte ich.
Anne lachte. »Sie ist ein Boleyn-Mädchen, sie hat zu heiraten, wen die Familie für passend hält.«
»Sie ist mein Mädchen«, wandte ich ein. »Und ich lasse sie nicht an den Meistbietenden versteigern. Du kannst meinetwegen Prinzessin Elizabeth schon in der Wiege einem Mann versprechen, das ist
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