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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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tragen.«
    »Oh?«
    »Sie sagte, der König habe sie schon vor längerer Zeit in seine Dienste gestellt.«
    »Ah.«
    »Als ich ihr Geld anbot, damit sie bliebe oder das Kind zurückließe, erwiderte sie mir, es sei ihre heilige Pflicht, das Kind an sich zu nehmen, da sie eine …«
    »Eine …?«
    »Eine Hexenjägerin sei«, flüsterte ich.
    Der Boden unter meinen Füßen schien zu schwanken, und alle Geräusche im Raum entfernten sich. William drückte mich auf einen Stuhl und hielt mir ein Glas Wein an die Lippen. George hatte noch immer die Stuhllehne umklammert. Sein Gesicht war so kreidebleich wie meines.
    Onkel war völlig ungerührt.
    »Der König hat eine Hexenjägerin angeheuert, um Anne zu bespitzeln?«
    Ich bejahte es.
    »Dann ist sie in höchster Gefahr«, meinte er.
    Es herrschte langes Schweigen.
    »Gefahr?« flüsterte George und richtete sich mühsam auf.
    Mein Onkel nickte. »Ein mißtrauischer Ehemann ist immer eine Gefahr. Wieviel mehr ein mißtrauischer König.«
    »Sie hat doch nichts getan«, sagte George beherzt. Ich warf ihm aus dem Augenwinkel einen neugierigen Blick zu, als ich hörte, wie er die Litanei wiederholte, die Anne geschworen hatte, als sie das mißgestaltete Kind sah, das ihr Schoß hervorgebracht hatte.
    »Das mag sein«, gestand ihm mein Onkel zu. »Doch der |617| König glaubt etwas anderes, und das reicht aus, um sie zu vernichten.«
    »Was werdet Ihr zu ihrem Schutz unternehmen?« fragte George vorsichtig.
    »Wißt Ihr, George«, erwiderte mein Onkel bedächtig, »das letzte Mal, als ich das Vergnügen eines Gesprächs unter vier Augen mit ihr hatte, sagte sie, ich könne den Hof verlassen und solle verdammt sein. Sie meinte, sie sei nur durch ihre eigenen Bemühungen dorthin gelangt, wo sie war, und sie schulde mir gar nichts, drohte mir sogar mit Gefängnis.«
    »Sie ist eine Howard«, warf ich ein.
    Onkel verneigte sich. »Sie war eine Howard.«
    »Es ist Anne!« rief ich. »Wir alle haben unser Leben nur darauf ausgerichtet, sie an diese Stelle zu manövrieren.«
    Onkel nickte. »Und hat sie es uns gedankt? Ihr seid vom Hof verbannt worden, wenn ich mich recht erinnere. Ihr wäret heute noch in der Verbannung, wenn sie nicht Eure Dienste benötigt hätte. Sie hat nichts unternommen, um mich dem König zu empfehlen, ganz im Gegenteil. Und George, Ihr steht in ihrer Gunst, aber seid Ihr auch nur einen Schilling reicher als an dem Tag, da sie den Thron bestieg? Ging es Euch nicht ebensogut, als sie nur seine Mätresse war?«
    »Es geht hier nicht um Gunstbezeugungen, sondern um Leben und Tod«, antwortete George leidenschaftlich.
    »Sobald sie einem Sohn das Leben schenkt, ist ihre Position gesichert.«
    »Aber er kann keinen Sohn zeugen!« rief George aus. »Er hat mit Katherine keinen Sohn zeugen können, er konnte mit ihr keinen zeugen. Er ist so gut wie impotent! Deswegen ist sie vor Angst schon beinahe wahnsinnig …«
    Es herrschte Totenstille. »Gott möge Euch vergeben, daß Ihr uns alle in solche Gefahr gestürzt habt«, sagte mein Onkel eisig. »Es ist Hochverrat, derlei auch nur zu erwähnen. Ich habe es nicht gehört. Ihr habt es nicht gesagt. Und nun geht.«
    William half mir auf, und wir drei verließen langsam den Raum. Auf der Schwelle fuhr George herum, wollte bittere |618| Worte sprechen, doch man hatte ihm bereits lautlos die Tür vor der Nase zugemacht, ehe er noch ein Wort sagen konnte.
     
    Anne wachte erst Mitte des Morgens auf und hatte hohes Fieber. Ich ging den König besuchen. Der Hof packte die Truhen, um in den Greenwich Palace zu ziehen. Henry hatte sich von dem Lärm und der Geschäftigkeit zurückgezogen und spielte im Garten Bowling, umgeben von seinen Favoriten, unter denen die Seymours eine überaus herausgehobene Stellung einnahmen. Ich war froh, auch George an seiner Seite zu finden, der selbstbewußt lächelte. Mein Onkel war unter den Zuschauern. Mein Vater bot dem König eine Wette mit guten Gewinnchancen an, die Henry akzeptierte. Ich wartete, bis die letzte Kugel gespielt war und mein Vater dem König lachend zwanzig Goldstücke überreicht hatte, ehe ich vortrat und meinen Hofknicks machte.
    Der König runzelte unmutig die Stirn, als er mich sah. Ich begriff sofort, daß im Augenblick keines der Boleyn-Mädchen besonders beliebt war. »Lady Mary«, sagte er kühl.
    »Majestät, ich komme von meiner Schwester, der Königin.«
    Er nickte.
    »Sie bittet Euch, den Umzug des Hofstaats nach Greenwich noch ein wenig hinauszuzögern, bis

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