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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sich der Tür näherten.
    »Du vertraust William?«
    »Natürlich.«
    »Und ich Francis.«
    »Das ist etwas anderes.«
    »Woher willst du wissen, was seine Liebe mir bedeutet?«
    »Es kann nicht dasselbe sein wie die Liebe eines Mannes zu einer Frau.«
    »Nein. Ich liebe ihn, wie ein Mann einen Mann liebt.«
    »Das verstößt gegen Gottes Gebot.«
    Er nahm meine Hände und warf mir das unwiderstehliche Boleyn-Lächeln zu. »Mary, laß es gut sein. Wir leben in gefährlichen Zeiten, und mein einziger Trost ist Francis’ Liebe. Nimm mir das nicht auch noch. Gott ist mein Zeuge, daß ich wenig andere Freuden im Leben habe. Wir schweben in höchster Gefahr.«
    Annes Gefolge ritt vorbei. Sie zügelte ihr Pferd neben uns und lächelte strahlend. Sie trug ein dunkelrotes Reitkleid und einen dunkelroten Hut mit einer langen Feder, die sie mit einer großen Rubinbrosche an dem breiten Hutrand befestigt hatte.
    »Vivat Anna!«
rief mein Bruder als Reaktion auf ihren eindrucksvollen Stil.
    Sie schaute an uns vorbei in den schattigen Großen Saal und meinte wohl, Henry würde sie dort erwarten. Ihre Miene verriet nichts, als sie merkte, daß er nicht gekommen war.
    »Geht es dir gut?« fragte ich.
    »Natürlich«, erwiderte sie fröhlich. »Warum nicht?«
    |624| Ich schüttelte den Kopf. »Nur so«, sagte ich vorsichtig. Wir sollten offensichtlich nichts über das tote Kind sagen, so wie wir auch über die anderen nie ein Wort verloren hatten.
    »Wo ist der König?«
    »Auf der Jagd«, antwortete George.
    Anne ging mit großen Schritten in den Palast. Die Bediensteten rannten vor ihr her, um Türen zu öffnen.
    »Er wußte doch, daß ich kommen würde?« warf sie über die Schulter.
    »Ja«, antwortete George.
    Sie nickte und wartete, bis wir in ihren Gemächern waren und die Tür geschlossen hatten. »Und wo sind meine Hofdamen?«
    »Einige sind mit dem König auf der Jagd«, erwiderte ich. »Einige …« Ich wußte nicht, wie ich diesen Satz vollenden sollte. »Einige nicht«, fügte ich lahm hinzu.
    Sie schaute an mir vorüber zu George und zog eine dunkle Augenbraue hoch. »Kannst du mir bitte erklären, was meine Schwester damit meint?« frage sie. »Ich wußte zwar, daß ihr Französisch und Latein so gut wie unverständlich ist, aber nun scheint auch Englisch ihre Kräfte zu übersteigen.«
    »Deine Hofdamen sind in Scharen zu Jane Seymour übergelaufen«, erwiderte er nüchtern. »Der König hat ihr Thomas Cromwells Gemächer zugewiesen und speist jeden Tag mit ihr. Sie hält dort drüben hof.«
    Einen Augenblick lang japste Anne nach Luft und schaute von meinem Bruder zu mir. »Stimmt das?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Er hat ihr Thomas Cromwells Gemächer gegeben? Er kann so in ihre Gemächer gehen, ohne daß jemand auch nur davon erfährt?«
    »Ja.«
    »Sind sie ein Liebespaar?«
    Ich blickte George an.
    »Man kann es nicht wissen«, meinte er. »Aber ich würde Geld darauf wetten, daß sie es nicht sind.«
    »Nicht?«
    |625| »Sie weigert sich anscheinend, die Avancen eines verheirateten Mannes zu ermutigen«, antwortete er. »Sie spielt die Tugendhafte.«
    Anne ging langsam zum Fenster, als müsse sie diese ungeheure Veränderung ihrer Welt dabei bedenken. »Was erhofft sie sich?« fragte sie. »Wenn sie ihn gleichzeitig ermutigt und zurückweist?«
    Keiner sagte etwas. Wer wüßte die Antwort besser als wir beide?
    Anne fuhr mit wildem Blick zu uns herum. »Sie will mich verdrängen? Ist sie wahnsinnig?«
    Keiner von uns beiden antwortete.
    »Und Cromwell wurde für diese Seymour-Bande hinauskomplimentiert?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Cromwell hat seine Gemächer freiwillig angeboten.«
    Sie nickte bedächtig. »Cromwell steht also nun ganz unverhohlen auf der Gegenseite.«
    Sie blickte zu George, trostheischend und seltsam unsicher, als sei sie sich auch seiner nicht gewiß. George hatte sie noch nie im Stich gelassen. Langsam ging er zu ihr hin und legte ihr brüderlich die Hand auf die Schulter. Sie lehnte sich rückwärts an ihn. Er seufzte, schob die Arme um sie und wiegte sie sanft, während seine Augen über die Themse schweiften, die im winterlichen Sonnenschein glitzerte.
    »Ich dachte, du hättest vielleicht auch Angst, mich zu berühren«, sagte sie leise.
    Er schüttelte den Kopf. »O Anne. Wenn es nach den Gesetzen des Landes und der Kirche ginge, wäre ich doch immer schon vor dem Frühstück zehnmal mit dem Bann belegt.«
    Diese Worte ließen mich erschauern. Anne jedoch lachte wie ein junges

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