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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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sind nicht ohne Einfluß und Vermögen. Ihr könnt den Rest Eures Lebens im Dienste der Howards arbeiten.«
    »Es ist meine Pflicht«, erwiderte sie. »Seit meiner Jungmädchenzeit tue ich diese Pflicht, habe bei Unserer Lieben Frau geschworen, in dieser Aufgabe niemals nachzulassen.«
    »Was für eine Aufgabe?« fragte ich heftig. »Was für eine Pflicht? Wovon sprecht Ihr?«
    »Hexenjagd«, sagte sie schlicht. Dann verschwand sie mit dem Kind des Satans durch die Tür.
    Ich schob hinter ihr den Riegel vor. Es sollte niemand ins Zimmer kommen, ehe wir saubergemacht hatten und Anne |614| wieder so weit genesen war, daß sie den Kampf um ihr Leben aufnehmen konnte.
    »Was hat sie gesagt?« fragte sie.
    Ihre Haut war wachsbleich. Ihre schwarzen Augen waren glasig. Sie war weit weg von diesem überhitzten kleinen Raum, spürte die Gefahr noch nicht.
    »Nichts. Warum schläfst du nicht ein wenig?«
    Anne blitzte mich an. »Ich glaube das niemals«, sagte sie mit tonloser Stimme, als spräche sie nicht zu mir, sondern zur Inquisition. »Ich kann es nicht glauben. Ich bin keine dumme Bauersfrau, die über einer Reliquie heiße Tränen vergießt, die aus nichts als Spänen und Schweineblut besteht. Ich lasse mich durch diese dummen Ängste nicht von meinem Weg abbringen. Ich denke nach, ich handle, und ich gestalte die Welt so, wie ich es will.«
    »Anne?«
    »Nichts kann mich schrecken!« beteuerte sie.
    »Anne?«
    Sie drehte sich zur Wand.
     
    Sobald sie eingeschlafen war, rief ich ein Howard-Mädchen – Madge Shelton – ins Zimmer. Sie sollte bei ihr sitzen. Rasch holten die Zofen die blutgetränkten Laken fort und brachten saubere Binsen für den Boden. Draußen im Audienzraum gierte der Hofstaat auf Neuigkeiten. Einige Damen waren schon beinahe eingenickt, andere vertrieben sich die Zeit mit Kartenspielen. George war in ein leises Gespräch mit Sir Francis vertieft. Die Köpfe der beiden steckten so nah zusammen, als wären sie ein Liebespaar.
    William kam auf mich zu und nahm mich bei der Hand. Seine Berührung schenkte mir Kraft.
    »Es steht schlimm«, sagte ich knapp. »Mehr kann ich dir jetzt nicht sagen. Ich muß Onkel berichten. Komm bitte mit.«
    Sofort war George an meiner Seite. »Wie geht es ihr?«
    »Das Kind ist tot.«
    Ich sah ihn erbleichen. Er bekreuzigte sich. »Wo ist Onkel?« fragte ich und schaute mich um.
    |615| »Er wartet wie alle anderen in seinen Gemächern auf Neuigkeiten.«
    »Wie geht es der Königin?« erkundigte sich jemand bei mir.
    »Hat sie das Kind verloren?« wollte ein anderer wissen.
    George trat vor. »Die Königin schläft«, erklärte er. »Sie ruht sich aus. Sie läßt Euch allen ausrichten, Ihr möget zu Bett gehen. Morgen früh wird es Neuigkeiten über ihren Zustand geben.«
    »Hat sie das Kind verloren?« bedrängte jemand George und schaute dabei mich an.
    »Woher soll ich das wissen?« erwiderte George mit ausdrucksloser Miene. Ein ärgerliches, ungläubiges Raunen ging durch den Raum.
    »Es ist also tot«, meinte jemand. »Was ist nur mit ihr los, daß sie dem König keinen Sohn schenken kann?«
    »Kommt«, sagte William zu George. »Wir gehen. Je mehr Ihr sagt, desto schlimmer wird die Sache.«
    Flankiert von meinem Mann und meinem Bruder, schob ich mich durch das Gewühl des Hofstaats und eilte die Treppe hinunter zu den Gemächern meines Onkels. Ein Diener in dunkler Livree ließ uns wortlos ein. Onkel saß an dem großen Tisch und hatte Papiere vor sich ausgebreitet. Eine Kerze warf ihren goldenen Schein auf ihn.
    Als wir eintraten, bedeutete er dem Diener mit einem Kopfnicken, das Feuer zu schüren und einen weiteren Kerzenleuchter anzuzünden.
    »Ja?« fragte Onkel Howard.
    »Anne hat Wehen bekommen und ein totes Kind zur Welt gebracht«, sagte ich matt.
    Er nickte. Sein ernstes Gesicht verriet keinerlei Gefühlsregung.
    »Es stimmte etwas nicht mit dem Kind«, fügte ich hinzu.
    »Was?«
    »Sein Rücken war offen, sein Kopf riesig groß«, erwiderte ich. Ich spürte, wie mir der Ekel den Hals zuschnürte, und packte Williams Hand noch ein wenig fester. »Es war ein Ungeheuer.«
    |616| Onkel nickte wieder, als hätte ich ihm eine ganz gewöhnliche Neuigkeit erzählt, die ihn nur wenig berührte. George entfuhr ein halb erstickter Schreckenslaut. Er tastete nach der Lehne eines Stuhls, um sich abzustützen. Onkel schien alldem kaum Aufmerksamkeit zu schenken, aber ihm entging nichts.
    »Ich habe versucht, die Hebamme daran zu hindern, das Kind aus dem Zimmer zu

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