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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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dicht bei meinem Ohr, so daß ich die Wärme seines Atems an meiner kalten Wange fühlen konnte.
    »Ihr«, antwortete er. »Eine Schönheit wie Ihr. Seid Ihr glücklich, Mary?«
    Ich drehte mich zu ihm hin, und er umfing mich mit seinen Armen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und verbarg mein Gesicht in der Wärme seines Nackens, schnupperte den süßen Duft seines Bartes und seines Haares. »O Henry«, flüsterte ich. Ich wollte mein Gesicht vor ihm verbergen, denn |122| ich wußte, daß er darauf kein Vergnügen entdecken würde, sondern den Schrecken darüber, daß ich so hoch gestiegen, daß nun alles so öffentlich geworden war.
    »Seid Ihr glücklich?« beharrte er. Er legte mir die Hand unters Kinn und wandte mein Gesicht zu sich nach oben, so daß er mich mustern konnte. »Es ist eine große Ehre.«
    »Ich weiß. Ich danke Euch.«
    »Und Ihr sollt sie vom Stapel lassen«, versprach er mir. »Nächste Woche.«
    Ich zögerte. »Nicht die Königin?«
    Ich fürchtete mich davor, beim Stapellauf des neuesten und größten Schiffs, das Henry je hatte bauen lassen, den Platz der Königin einzunehmen. Aber natürlich mußte ich es tun. Wie könnte sie ein Schiff auf meinen Namen taufen?
    Er tat meine Bemerkung mit einem Achselzucken ab. »Nein«, erwiderte er knapp. »Nicht die Königin. Ihr.«
    Ich zauberte von irgendwo ein Lächeln hervor und hoffte, daß es überzeugend meine ungeheure Angst verbarg, zu schnell zu hoch gestiegen zu sein, meine Bedenken, daß das Ende dieses Weges nicht voll sorgloser Freude sein könnte, sondern düster und furchterregend. Mein Name, der an seinem Schiff prangte, das nächste Woche vom Stapel lief, machte mich zur erklärten Rivalin der Königin von England. Ich war eine Feindin des spanischen Botschafters, der gesamten spanischen Nation. Ich war eine einflußreiche Macht bei Hof, eine Bedrohung für die Familie Seymour. Je höher ich in der Gunst des Königs stieg, desto größere Gefahr braute sich rings um mich zusammen. Aber ich war doch erst fünfzehn Jahre alt!
    Als könnte sie mir mein Zögern vom Gesicht ablesen, war Anne sofort an meiner Seite. »Ihr erweist meiner Schwester eine große Ehre, Sire«, erklärte sie aalglatt. »Es ist ein ganz wunderbares Schiff und so herrlich wie die junge Frau, nach der Ihr es benannt habt. Ein starkes und mächtiges Schiff noch dazu – wie Ihr selbst. Gott segne es und schicke es gegen Eure Feinde zur See. Wer sie auch sein mögen.«
    Henry lächelte über dieses Kompliment. »Es muß ein vom |123| Glück begünstigtes Schiff sein«, sagte er, »da ihm doch das Gesicht eines Engels vorausgeht.«
    »Glaubt Ihr, daß es schon dieses Jahr gegen die Franzosen kämpfen muß?« erkundigte sich George, nahm mich bei der Hand und erinnerte mich mit einem verstohlenen Zwicken an meine Aufgabe bei Hof.
    Henry nickte. »Zweifellos«, erwiderte er. »Und wenn der spanische König sich mit mir verbündet, dann folgen wir im Norden Frankreichs meinem Angriffsplan, während er den Süden attackiert. So können wir gewiß die Arroganz der Franzosen dämpfen. Diesen Sommer schaffen wir es ganz sicher.«
    »Wenn wir den Spaniern trauen können«, sagte Anne.
    Henrys Gesicht verfinsterte sich. »Sie sind auf uns angewiesen«, knurrte er. »Das sollte Carlos besser nicht vergessen. Es geht nicht um Familie und Verwandtschaft. Wenn die Königin, warum auch immer, böse auf mich ist, so sollte sie sich doch stets daran erinnern, daß sie zu allererst Königin von England und dann erst spanische Prinzessin ist, die mir Loyalität schuldet.«
    Anne nickte. »Ich könnte derart zwiespältige Gefühle in meiner Brust kaum ertragen«, meinte sie. »Gott sei Dank sind wir Boleyns durch und durch Engländer.«
    »Trotz Eurer französischen Gewänder«, parierte Henry mit einem plötzlichen Aufblitzen seines Humors.
    Anne lächelte zurück. »Ein Gewand ist ein Gewand«, sagte sie. »Wie Marys Kleid aus gelbem Samt. Aber Ihr ganz besonders müßt doch wissen, daß unter diesem Gewand eine treue Untertanin steckt, deren Herz nur Euch allein gehört.«
    Bei diesen Worten wandte er sich mir zu und lächelte mich an, während ich zu ihm aufblickte. »Es ist mir ein Vergnügen, ein so treues Herz zu belohnen«, erwiderte er.
    Ich spürte, wie mir die Augen feucht wurden. Henry beugte sich herab und küßte mir eine Träne von den Wimpern. »Mein süßes Mädchen«, sagte er sanft. »Meine kleine englische Rose.«
     
    |124| Der gesamte Hofstaat kam zum Stapellauf

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