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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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mußte, um dem Ehrgeiz der Familie Howard zu dienen.
    »Und sieh zu, daß Mary ihm wieder vor Augen kommt«, fügte mein Vater noch hinzu. »Wenn er sich von der Königin abwendet, muß es Mary sein, die ihn wieder aufrichtet.«
    |115| Anne nickte. »Natürlich.« Nur ich konnte die leichte Schärfe in ihrer Stimme gehört haben. »Mary hat immer Vorrang.«
     
    An jenem Abend kam der König wie gewöhnlich in die Gemächer der Königin, um am Kamin mit ihr zusammenzusitzen. Wir drei beobachteten ihn, waren uns sicher, daß er dieses häuslichen Friedens bald überdrüssig sein würde. Doch die Königin unterhielt ihn mit großem Geschick.
    Auch dieser Abend war keine Ausnahme. Nachdem er eine Weile mit ihr geredet hatte, forderte ihn jemand auf, für uns zu singen. Er trat vor, um eine seiner eigenen Kompositionen zum besten zu geben. Eine der Damen erbat er sich für die Sopranstimme. Anne trat zögernd und bescheiden vor und meinte, sie würde es versuchen. Natürlich war jeder Ton perfekt. Nach einer Zugabe küßte Henry Anne die Hand, und die Königin rief nach Wein für die beiden Sänger.
    Mit kaum mehr als einer leichten Berührung hatte Anne Henry ein wenig vom Rest des Hofes abgesondert. Nur die Königin und wir Boleyns bemerkten, daß man den König fortgelockt hatte. Die Königin forderte einen der Musiker auf, uns eine weitere Melodie zu spielen. Sie war viel zu klug, um ihren Gatten böse anzufunkeln, wenn er wieder einmal eine neue Tändelei begann. Mit einem kurzen Blick überprüfte sie, wie ich den Anblick meiner Schwester aufnahm, die am Arm des Königs hing. Ich reagierte mit einem nichtssagenden, unschuldigen Lächeln.
    »Ihr entwickelt Euch zu einer perfekten Hofdame, meine liebe Frau«, bemerkte William Carey.
    »Wirklich?«
    »Als Ihr neu an den Hof kamt, wart Ihr frische Ware. Der französische Hof hatte Euch kaum mit einigem Glanz überzogen, doch nun scheint die Vergoldung bis tief in Eure Seele zu reichen. Tut Ihr je etwas, ohne es Euch zweimal zu überlegen?«
    Ich wollte mich verteidigen, aber da sah ich, daß Anne einige Worte an den König richtete und dieser zur Königin |116| blickte. Anne legte ihm sehr sanft eine Hand auf den Arm und fügte leise etwas hinzu. Ich wandte mich von William ab, schaute statt dessen zu dem Mann, den ich liebte. Ich sah, wie seine breiten Schultern sanken, als hätte ihn seine Kraft verlassen. Er blickte die Königin an, als hätte sie Verrat an ihm begangen. Sein Gesicht war so verletzlich wie das eines Kindes. Anne schirmte ihn geschickt vor den Blicken des Hofes ab. George trat vor und fragte die Königin, ob wir tanzen dürften, um ihre Aufmerksamkeit von Anne abzulenken, die dem König traurige Neuigkeiten ins Ohr hauchte.
    Ich konnte das alles nicht mehr ertragen. Ich entfernte mich leise von den Mädchen, die sich zum Tanz drängten, und ging zu Henry, schob mich einfach an Anne vorbei. Er war totenbleich, seine Augen waren tragisch umschattet. Ich ergriff seine Hände. »Oh, mein Lieber.«
    »Wußtet Ihr es auch? Wußten alle ihre Hofdamen davon?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte Anne. »Aber man kann es ihr nicht übelnehmen, daß Sie Euch nichts sagen wollte, die arme Dame, es war ihre letzte Hoffnung. Und auch Eure letzte Chance, Sire.«
    Ich spürte, wie seine Finger meine Hand noch ein wenig fester umklammerten. »Die Wahrsagerin hat mir aber prophezeit …«
    »Ich weiß«, antwortete ich sanft. »Sie war wohl bestochen.«
    Anne stahl sich leise davon. Wir waren allein.
    »Und ich habe bei ihr gelegen und so sehr versucht und gehofft …«
    »Ich habe für Euch gebetet«, flüsterte ich. »Für Euch beide. Ich habe so sehr gehofft, daß Ihr einen Sohn haben würdet, Henry. Bei Gott, ich wünsche es mir mehr als alles auf der Welt.«
    »Aber jetzt geht es nicht mehr.« Er sah aus wie ein verzogenes Kind, das nicht bekommt, was es will.
    »Nein, nicht mehr«, bestätigte ich. »Es ist vorbei.«
    Unvermittelt ließ er meine Hand fallen und wandte sich von mir ab. Die Menge der Tanzenden teilte sich vor ihm, als er mit schnellen Schritten über die Tanzfläche eilte. Er ging |117| zur Königin, die auf ihrem Stuhl saß und lächelnd auf ihren Hofstaat blickte. Dann sagte er, laut genug, daß es jedermann hören konnte: »Man teilt mir mit, daß Ihr unwohl seid, Madame. Ich wünschte nur, Ihr hättet es mir selbst berichtet.«
    Der scharfe Blick, den sie sofort zu mir herüberwarf, beschuldigte mich, ihr intimstes Geheimnis preisgegeben zu

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