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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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haben. Ich schüttelte kaum merklich den Kopf. Die Augen der Königin wanderten zu Anne, die mitten unter den Tänzern Hand in Hand mit George stand und den Blick ausdruckslos erwiderte.
    »Es tut mir leid, Eure Majestät«, sagte die Königin mit ungeheurer Würde. »Ich hätte gern einen besseren Zeitpunkt gewählt, dies mit Euch zu besprechen.«
    »Ihr hättet einen früheren Zeitpunkt wählen sollen«, tadelte sie der König. »Aber da Ihr unwohl seid, schlage ich vor, Ihr entlaßt Euren Hofstaat und zieht Euch zurück.«
    Diejenigen im Gefolge der Königin, die die Lage sofort begriffen hatten, tuschelten schon mit ihren Nachbarn. Die meisten standen jedoch nur da, starr vor Staunen über den plötzlichen Wutausbruch des Königs und die bleiche Duldermiene der Königin.
    Henry machte auf dem Absatz kehrt und befahl mit einem Fingerschnipsen seine Freunde herbei: George, Henry, William, Charles, Francis. Es war, als riefe er seine Hunde. Ohne ein weiteres Wort marschierten sie zusammen aus den Gemächern der Königin. Ich freute mich, daß mein Bruder George die tiefste Verbeugung von allen vor ihr machte. Sie ließ die Herren wortlos ziehen, erhob sich und ging ruhig in ihr Privatgemach.
    Den Musikern, die unverdrossen weitergespielt hatten, gingen nun die Töne aus. Sie schauten sich unsicher an und warteten auf weitere Befehle.
    »Ach, geht doch«, rief ich ihnen ungeduldig zu. »Sehr Ihr denn nicht, daß es heute abend keinen Tanz und keinen Gesang mehr geben wird? Hier braucht niemand mehr Eure Musik. Es will niemand mehr tanzen.«
    Jane Parker schaute mich überrascht an. »Ich hätte gedacht, |118| daß Ihr Euch freut. Der König hat sich mit der Königin überworfen, und Ihr seid nur zu bereit, Euch wieder aufheben zu lassen wie ein beschädigter Pfirsich aus der Gosse.«
    »Euch hätte ich mehr Verstand zugetraut«, meinte Anne unverblümt. »So von Eurer zukünftigen Schwägerin zu sprechen! Ihr solltet Euch vorsehen, wenn Ihr in dieser Familie willkommen sein wollt.«
    Jane gab vor Anne nicht klein bei. »Die Verlobung läßt sich nicht mehr rückgängig machen. George und ich sind so gut wie kirchlich getraut. Es geht nur noch darum, den Tag festzusetzen. Ihr mögt mich willkommen heißen, Ihr mögt mich hassen, Miss Anne. Aber zu verbieten habt Ihr mir nichts. Wir sind einander vor Zeugen versprochen.«
    »Ach, was macht das noch aus!« rief ich. »Was hat das alles jetzt noch zu sagen?« Ich rannte in meine Kammer. Anne kam mir nach.
    »Was ist denn los?« fragte sie knapp. »Ist der König wütend auf uns?«
    »Nein, obwohl er es sein sollte, denn wir haben etwas Abscheuliches getan, als wir ihm das Geheimnis der Königin verraten haben.«
    »Ach ja.« Anne nickte ganz ungerührt. »Aber er war doch nicht wütend auf uns?«
    »Nein, er ist verletzt.«
    Anne ging zur Tür.
    »Wohin gehst du?« wollte ich wissen.
    »Ich lasse die Badewanne bringen«, antwortete sie. »Du wirst dich jetzt waschen.«
    »O Anne«, schimpfte ich gereizt. »Er hat die schlechteste Nachricht seines Lebens bekommen. Er ist in der übelsten Laune. Er wird wohl kaum heute nacht nach mir schicken. Ich kann mich morgen waschen, wenn es denn sein muß.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich gehe keinerlei Risiko ein«, beharrte sie. »Du wäschst dich heute.«
     
    Sie hatte sich geirrt, jedoch nur um einen Tag. Am nächsten Abend saß die Königin mit ihren Hofdamen allein in ihrem |119| Gemach, und ich speiste mit meinem Bruder, seinen Freunden und dem König in dessen Privatgemächern. Es ging sehr fröhlich zu, mit Musik, Tanz und Glücksspielen. Und in jener Nacht lag ich wieder im Bett des Königs.
     
    Diesmal waren Henry und ich so gut wie unzertrennlich. Der ganze Hof wußte, daß wir ein Liebespaar waren. Die Königin wußte es, sogar die ganz gewöhnlichen Leute, die von London kamen, um uns beim Essen zuzusehen, wußten es. Ich trug sein goldenes Armband am Handgelenk. Ich ritt auf seinem Pferd hinter der Meute. Ich hatte Diamanten an den Ohren und besaß drei neue Gewänder, eines aus Goldbrokat. Und eines Morgens sagte er im Bett zu mir: »Habt Ihr Euch nie gefragt, was aus der Skizze geworden ist, die ich den Künstler auf der Werft von Euch zeichnen hieß?«
    »Das hatte ich ganz vergessen«, erwiderte ich.
    »Kommt her und küßt mich, dann sage ich Euch, warum ich ihm befohlen habe, Euch zu zeichnen«, murmelte Henry träge.
    Er lehnte sich in die Kissen zurück. Es war schon spät am Morgen, doch rings um uns

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