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Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin

Titel: Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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wäret die Königin all meiner Tage, und nicht nur einen Tag lang in einem Pavillon am Fluß, meine Liebste.«
     
    »
Was
hat er gesagt?« fragte mein Onkel.
    Ich stand vor ihm wie eine Gefangene vor Gericht. Mir gegenüber am Tisch saßen Onkel Howard, der Herzog von Surrey, mein Vater und George. Hinter mir hatten sich Anne und meine Mutter niedergelassen. Ich allein stand vor dem Tisch, wie ein Kind, das sich danebenbenommen hat und vor seine Eltern zitiert wurde.
    »Er hat gesagt, er wünschte, ich wäre Königin all seiner Tage«, flüsterte ich und haßte Anne, weil sie mein Vertrauen mißbraucht hatte, haßte meinen Vater und meinen Onkel, weil sie kaltherzig die zwischen Liebenden geflüsterten Worte sezierten.
    »Was kann er damit gemeint haben?«
    »Nichts«, schmollte ich. »Liebesgeflüster.«
    »Wir brauchen dringend eine Rückzahlung aus all diesen Anleihen«, sagte mein Onkel gereizt. »Hat er irgend etwas darüber gesagt, daß er dir Land schenken will? Oder daß er etwas für George tun will? Für uns?«
    »Kannst du ihm nicht eine Andeutung machen?« schlug mein Vater vor. »Erinnere ihn daran, daß George nächstens heiraten wird.«
    Ich blickte stumm und hilfesuchend zu George.
    »Er ist immer sehr auf der Hut vor dergleichen«, erklärte George. »Das tun alle, die ganze Zeit. Wenn er am Morgen von seinen Privatgemächern zur Messe geht, stehen die Bittsteller Spalier, die ihn um einen Gunstbeweis anflehen. Ich denke, an |127| Mary gefällt ihm gerade, daß sie nicht so ist. Ich glaube nicht, daß sie ihn je um irgend etwas gebeten hat.«
    »Sie hat Diamanten an den Ohren hängen, die ein Vermögen wert sind«, warf meine Mutter mit scharfer Stimme von hinten ins Gespräch. Anne nickte.
    »Aber sie hat ihn nicht darum gebeten. Er hat sie ihr aus freien Stücken geschenkt. Er ist gern großzügig, wenn es nicht von ihm erwartet wird. Ich denke, wir müssen es Mary überlassen, das Spiel auf ihre Weise zu spielen. Sie hat die Begabung, ihn zu lieben.«
    Ich biß mir bei diesen Worten auf die Lippen, um nicht mit einer Entgegnung herauszuplatzen. Die Begabung, ihn zu lieben, die hatte ich wahrhaftig. Das war wohl meine einzige Begabung. Und diese Familie bediente sich meiner Gabe, so wie sie Georges Talent im Schwertfechten oder meines Vaters Sprachbegabung nutzte, um ihre Interessen zu befördern.
    »Nächste Woche zieht der Hof nach London«, bemerkte mein Vater. »Der König trifft sich mit dem spanischen Botschafter. Da ist es kaum zu erwarten, daß er sich ernsthaft um Mary bemüht, denn er braucht die Spanier als Verbündete im Kampf gegen die Franzosen.«
    »Also setzen wir uns besser für den Frieden ein«, empfahl mein Onkel listig.
    »Das mache ich. Ich werde Frieden stiften«, erwiderte mein Vater. »Dann werde ich selig, nicht wahr?«
     
    Der Hof bot stets ein eindrucksvolles Schauspiel, wenn er im Sommer durchs Land zog, zu gleichen Teilen ländliches Kirchweihfest, Markttag und Ritterturnier. Kardinal Wolsey plante die Reise, bei Hof und im ganzen Land geschah alles nur auf seinen Befehl. Er hatte während der Schlacht bei Guinegate in Frankreich mit dem König Seite an Seite gestanden. Dann war er Großalmosenpfleger der englischen Armee gewesen, und die Männer hatten nachts so trocken gelegen wie nie zuvor, hatten so gut gegessen wie nie zuvor. Der Kardinal hatte ein Auge fürs Detail und ein hervorragendes politisches |128| Gespür, das ihn stets genau wissen ließ, wo wir Rast machen und welchen Lord wir mit einem Besuch beehren sollten. Und er war gerissen genug, Henry mit keiner dieser Überlegungen lästig zu fallen, so daß der junge König von einem Vergnügen zum anderen zog und keinen Gedanken auf Lebensmittel, Bedienstete und Organisation verschwenden mußte, die uns wie vom Himmel beschert wurden.
    Der Kardinal bestimmte auch die Reihenfolge im Zug des Hofstaats. In der Vorhut ritten die Pagen, um deren Köpfe die Standarten und Fahnen aller mitreisenden Lords flatterten. In einigem Abstand, damit sich der Staub wieder legen konnte, kam der König auf seinem besten Jagdpferd. Über ihm wehte seine Fahne, und neben ihm ritten die Freunde, die er sich für diesen Tag als seine Begleiter ausersehen hatte: mein Mann William Carey, Kardinal Wolsey, mein Vater. Daran schloß sich in weniger starrer Formation der Rest des königlichen Gefolges an. Alle waren von den persönlichen Leibwachen des Königs umringt. Die Soldaten dienten ihm kaum zum Schutz – denn wer würde auch

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