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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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zweifelte nicht daran. Aber ob sie damit glücklich wurde, dessen war sie sich nicht sicher.
    Es war ein kalter Morgen, an dem sie zu Marias Wallfahrt aufbrachen. Die Dunkelheit lag noch über der Stadt, und aus dem Auwald zogen feuchte Nebel herauf. Die Glocke hatte noch nicht zur Laudes gerufen. Trotz der frühen Stunde waren schon viele Menschen auf den Beinen. Die Stadttore waren noch geschlossen. Vom Mühlgraben her war das Klappern der Mühle zu vernehmen, die zum Nonnenkloster gehörte. Ein Stück flussabwärts lag die Thomasmühle. Auch dort begann bereits das Tagwerk der Mönche und der Klosterdiener. Wie unheimliche schwarze Schatten huschten sie durch das neblige Grau des anbrechenden Morgens.
    Es war für Maria nichts Neues, dass Mönche das Stadtbild prägten. Immerhin gab es vier Klöster innerhalb der Mauern der Stadt. Drei davon waren Mönchsklöster, und ihre Insassen unterschieden sich sehr voneinander.
    Die Dominikanermönche lebten im Paulinerkloster im Osten der Stadt. In ihren Röcken aus weißer Wolle, mit Käppchen und Skapulier, über dem sie den schwarzen Mantel trugen, waren sie die eifrigsten Verkünder des rechten Glaubens und Bekämpfer der Ketzer. Unablässig liefen sie durch die Stadt und verbreiteten unter den Leuten recht anschaulich die Furcht vor der Hölle. Sie waren es auch, die überall mit Ablassbriefen herumzogen und jeder Seele gegen Geld Absolution erteilten, gleich wie sündig sie war.
    Im Gegensatz dazu standen die grauen Brüder des Barfüßerordens. In ihren grauen Kutten erbettelten sie in der Stadt und auf den Dörfern Gaben, die sie in ihren Bettelsäcken auf dem Rücken trugen. Statt eines Gürtels trugen sie nur einen Strick um den Leib und oft gingen sie barfuß auf Gottes Erden umher. In den Hospitälern und anderen Orten des Elends verrichteten sie aufopfernde Arbeit und waren vor allem bei den einfachen Menschen beliebt. Maria hatte ihnen oft kleine Spenden zugesteckt.
    Ganz anders dagegen die Augustiner. Sie fühlten sich wohl als Aristokraten unter den Dienern Gottes, trugen die Kutte nur zur Fastenzeit und kleideten sich sonst ähnlich den Gelehrten mit Mantel und Barett. Sie fanden Gefallen an den Künsten und am behaglichen Leben. Natürlich hatten auch sie das Gelübde der Armut abgelegt und durften kein persönliches Eigentum besitzen, doch konnten die Klöster Schenkungen annehmen, die oft recht üppig waren. Ganze Dörfer besaßen sie und ausgedehnte Wälder, Wiesen und Felder. Sie füllten den Klöstern Keller und Küche. Die Mönche waren die wohlgenährtesten Bewohner der Stadt, und wenn sie nicht gerade Fasttag zu halten hatten, dann bedienten sie sich reichlich der Schätze aus Küche und Keller. Vergessen waren die edlen Ziele, Kunst und Bildung, Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu fördern. Die weltliche Gesinnung nahm immer mehr überhand.
    Gehörte Maria jetzt auch zu den Privilegierten? Arm und doch reich? Sie blickte an sich herab. Sie trug die Kleidung, die sie in den letzten Wochen immer getragen hatte und die sie bis an das Ende ihrer Tage tragen würde. In ihrem kleinen Stoffbeutel befand sich ein wenig Brot, Käse, getrocknetes Fleisch, Äpfel und Wein. Um den Hals trug sie eine Kette mit dem Kreuz des Heilands. Ihre Füße steckten in dünnen Ledersandalen.
    Es war das erste Mal seit dem Eintritt in das Kloster, dass sie die Pforte wieder durchschritt in die Welt hinaus. Die Pförtnerin blickte ihnen nach, als missbillige sie es. Als die Tür ins Schloss fiel, zuckte Maria zusammen. Nein, sie war nicht frei, und der Wind schlug ihr feucht und kalt ins Gesicht.
    Ihre Lippen murmelten stumm Gebete, und sie senkte den Blick zu Boden. Gundula trippelte neben ihr her und ließ während des Gehens die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten. Die vier weiteren Nonnen, die sie begleiteten, folgten ihnen in einer eigenartigen Prozession. Niemand hatte bestimmt, dass Maria vorangehen sollte, doch alle ordneten sich nach ihr ein, selbst Gundula blieb immer einen halben Schritt zurück. Die drei Novizinnen und die ältere Schwester, die den Weg schicksalsergeben auf sich nahmen, schritten über die holprige Straße, die nach Süden führte.
    »Die Marienmägde«, flüsterten die Menschen, die ihnen begegneten. »Sie gehen bestimmt zur Kreuzkapelle oder zum Born.«
    »Wir sollten ihnen folgen. Vielleicht wird uns Heilung zuteil.«
    »Nur, wenn die Nonne eine besonders fromme Jungfrau ist.«
    Maria hörte die leisen Stimmen, und doch

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