Die Schwester der Nonne
warst. Geht es dir inzwischen besser?«
Auf Katharinas Stirn stand kalter Schweiß.
»Nein, mir geht es schrecklich schlecht. Ich dachte, du wärst der schwarze Bruno.«
»Wieso denn das?« Thomas hockte sich vor den Kamin und rieb seine eiskalten Hände. Sie warf Griseldis einen schnellen Blick zu.
»Weil wir gerade von ihm gesprochen haben. Er ist irgendwo im Wald.«
»Ich glaube, ihm wäre es zu kalt. Das Laub fällt schnell. Auf den Wiesen lag schon Reif. Wir werden die Herde zu Allerheiligen in die Stadt treiben.«
»Die Stadt.« Katharina verspürte plötzlich einen Kloß im Hals. Wie gern würde sie diese düstere, feuchte Hütte mit ihrem schönen Vaterhaus tauschen, ihrem Zimmer, ihrem Bett. Da war es trocken, warm, gemütlich. Da fühlte sie sich geborgen und sicher. Was tat ihr Vater in diesem Moment? Ob er ihr noch zürnte? Vielleicht ließ er sich doch noch überzeugen, dass sie einen anderen Mann liebte?
Griseldis schenkte drei Becher mit Tee ein. Einen brachte sie zu Katharina.
»Vergiss es, alle suchen nach dir. Sogar auf den Dörfern haben sie schon nachgefragt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie dahinter kommen, wo du steckst.« Sie ließ sich in ihren Lehnstuhl nieder und schlürfte den Tee.
Wenn Griseldis ihn trank, dann konnte es kein Gift sein, oder machte es ihr nur nichts aus? Und wenn Thomas den Tee trank? Er nahm den Becher begierig und trank auch sofort. Plötzlich begann er zu husten, sein Gesicht lief rot an und seine Augen quollen hervor. Katharina starrte ihn an. Sie war wie gelähmt.
»Oh, war das heiß«, krächzte Thomas. »Aber man muss zugeben, er tut gut.«
»Das will ich meinen«, erwiderte Griseldis. »Bei diesem Wetter befreit der Tee den Atem vom Fieber.«
Katharinas Hände zitterten. Sie hielt den Becher umfangen und befürchtete, den Tee zu verschütten. Als Letzte trank auch sie davon. Warm rann das Getränk in den Magen hinunter. Sie fühlte sich müde und erleichtert. Thomas setzte sich zu ihr ans Bett. In seinem Blick bemerkte sie Besorgnis.
»Schau nicht so, ich habe mich nur schrecklich erschrocken.«
»Aber warum? Hast du Angst vor mir?« Er strich ihr zärtlich eine honigblonde Locke aus der Stirn.
»Natürlich nicht.« Sie lachte unsicher. »Die Griseldis erzählt immer solche schaurige Geschichten. Da habe ich mich eben … erschrocken.«
»Gott sei Dank bist du fast wieder gesund. Weißt du, ich habe mir schreckliche Sorgen um dich gemacht. Du hattest so hohes Fieber und hast niemanden mehr erkannt. Ich habe Tag und Nacht für dich gebetet.«
»Woher weißt du davon?«, wunderte sie sich.
»Weil ich hier war. Ich wollte dich besuchen. Da sagte Griseldis, du hättest hohes Fieber. Ich habe an deinem Bett gewacht, aber du hast mich nicht erkannt. Dann musste ich wieder zurück, sonst hätte der Vater etwas gemerkt. Griseldis hat gesagt, sie hätte die richtige Medizin für dich.«
Mit einem fast scheuen Blick auf die Alte, die gemütlich in ihrem Lehnstuhl hockte und Tee schlürfte, ließ sich Katharina wieder ins Bett sinken.
»Na ja …«
»Pass auf, in ein paar Tagen bist du wieder völlig gesund.« Thomas erhob sich und griff zu seinem Umhang. »Ich muss dich leider verlassen. Aber nach Allerheiligen komme ich wieder. Dann hole ich dich hier weg.«
Katharina wollte noch fragen, wohin Thomas sie holen wolle, doch der Tee und die Schwäche und die Wärme vom Kamin oder was sonst auch drückten ihr die Augen zu. Sie nickte schläfrig.
»Ja, Thomas, auf bald.«
Er küsste sie auf die Wange.
Kaum hatte er die Hütte verlassen, schlief sie ein. Sie hörte weder den Wind im Kamin heulen, noch den Regen aufs Dach rauschen und die Wasser des Flusses plätschern.
Wenige Tage später war Katharina kräftig genug, um das Bett zu verlassen. Ein wenig regte sich in ihr das schlechte Gewissen, hatte doch die alte Griseldis ihr Bett zur Verfügung gestellt, damit Katharina genesen konnte, und selbst neben der Ziege im Stroh geschlafen. Zudem rührte sie emsig irgendwelche Tees, Kräuter und Mixturen zusammen, murmelte Zaubersprüche, aber alles schien zu helfen, und Katharina wurde wieder gesund.
Trotzdem fühlte Katharina sich nicht wohl im Wald. Diese düstere, feuchte Welt war ihr fremd, und sie fürchtete sich. Bislang ging Griseldis immer allein fort, um etwas Essbares zu besorgen. Weiß der Teufel, wo sie manches hernahm, ob sie Vögel und Hasen fing oder ob sie etwas in einem Dorf eintauschte. Sie wollte nicht, dass Katharina sie
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