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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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küssen.«
    »Ich habe ihn nicht geküsst«, verteidigte sich Katharina.
    »Das war er. Wahrscheinlich hat er davon Bauchschmerzen bekommen. Oder von der Sahne, die er genascht hat.«
    Maria stieß den Atem heftig durch die Nase aus.
    »Nein, das hatte einen ganz anderen Grund. Aber den zeige ich dir in dem Buch, das ich gefunden habe. Männer bekommen nicht nur Haare wie ein Wolf, sondern auch ein Horn wie ein Einhorn.«
    »Auf der Stirn?«, staunte Katharina.
    »Nein, am Bauch. Und nun lass uns lieber gehen, bevor die Sonne ganz verschwindet.«
    Sie liefen weiter. Vereinzelt kamen Bauern mit ihren Wagen aus der Stadt zurück, wo sie ihre Waren verkauft hatten.
    »Erzähl doch, was das für ein Horn ist, das die Einhörner – nein, die Männer – bekommen«, drängte Katharina. »Woher weißt du das? Wozu haben Männer das Horn? Kämpfen sie damit?«
    Maria schritt immer schneller aus, das Gesicht stur nach vorn gewandt. Katharina rannte beinahe, um den Anschluss nicht zu verlieren.
    »So warte doch! Warum rennst du denn so?« Katharina kam ganz außer Atem.
    »Frag mich nicht danach«, fuhr Maria sie an. »Hätte ich nur nichts gesagt.«
    »Du hast es aber gesagt, und nun will ich Bescheid wissen. Alles, was in Büchern steht, ist wichtig, hat Vater gesagt. Auch der Magister bezieht sein Wissen aus den dicken Büchern. Leider lässt er mich nicht hineinschauen, obwohl ich ihn schon mehrmals darum gebeten habe. Er liest immer nur daraus vor.« Sie dachte nach. »Wieso gibt es bei uns ein Buch, von dem weder der Magister noch Vater etwas wissen?«
    Maria blieb plötzlich stehen.
    »Vater weiß ganz sicher davon. Wer sonst hätte es wohl mitgebracht? Es befindet sich oben auf dem Warenboden in einer Truhe. Und der Magister, der unterrichtet doch ganz andere Dinge an der Universität. Die Bilder in dem Buch … nun ja, die sind wie in der Kirche von Adam und Eva, aber ohne das Feigenblatt.«
    Katharina rollte mit den Augen.
    »Wenn es solche Bilder wie in der Kirche sind, dann ist es doch nichts Schlimmes. Warum hast du mir nicht schon längst etwas davon gesagt? Warum behältst du alles für dich?« Ihrem Gesicht war recht deutlich anzusehen, dass sie mit Marias Verhaltensweise nicht ganz einverstanden war.
    »Ach, lass mich in Ruhe! Du wirst schon noch zeitig genug alles erfahren.«
    »Wieso weißt du es dann und ich nicht?«, empörte sich Katharina.
    »Weil ich die Ältere bin. Du musst eben warten.« Maria eilte weiter, während Katharina in maßlosem Zorn stehen blieb.
    Sie waren schon nahe der Stadt. Linker Hand lag die Funkenburg. Von den Gerbereien der Vorstadt drangen unangenehme Gerüche zu ihnen herüber. Maria beschleunigte ihren Schritt, ohne sich nach Katharina umzuschauen.
    Kurz vor dem Stadttor, südlich der Via Regia, stand die alte Jacobskirche mit der dahinter liegenden Jacobspfarrei. Sie war in grauer Vorzeit von schottischen Missionsmönchen gegründet worden. Nun lag sie still und fast vergessen da.
    Krächzende Raben hatten sich auf dem Dach niedergelassen und beäugten den Verkehr auf der Straße zum Tor. Nicht selten fiel von den Wagen etwas herab, auf das sie sich stürzen und um die Beute kämpfen konnten. Danach saßen die schwarzen Gesellen wieder einträchtig auf dem Kirchendach, um nach neuer Beute zu äugen.
    Der Pfarrei gegenüber befand sich die Jacobsmühle, die früher einmal zur Kirche gehört hatte. Das Wasser aus dem Elstermühlgraben, der noch von den Mönchen angelegt worden war, trieb das ächzende Mühlrad an. Seit vielen Jahren betrieb die Familie Thümmel diese Getreidemühle.
    Ein Fuhrwerk kam aus der Mühle gefahren. Zwei stämmige Ochsen zogen mit gesenkten Köpfen den schweren Wagen, der mit Mehlsäcken beladen war. Der Bauer fluchte und schrie die Ochsen an, die sich quer zur Straße stellten. Vergeblich schlug er mit einer Rute auf die Tiere ein, um sie dazu zu bewegen, den Wagen in Richtung Westen zu ziehen.
    Katharina ging dem Fuhrwerk in großem Boden aus dem Weg. Diese massigen Tiere waren ihr unheimlich, vor allem ihr stierer Blick und das bösartige Schnauben. Sie wich in Richtung der alten Jacobskirche aus, die langsam im Schatten der untergehenden Sonne versank. In diesem Licht und aus der Nähe wirkte das alte Gebäude noch unheimlicher.
    Maria blieb indes kurz vor dem Stadttor stehen und schaute sich suchend um. Sie blinzelte gegen die tief stehende Sonne, um Katharina sehen zu können. Schützend legte sie eine Hand über die Augen, aber sie konnte ihre

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