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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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auslieferten, Wäscherinnen, die ihre Arbeitskraft lautstark anpriesen, Bettler und Tagelöhner, Fromme, die zur Kirche eilten. Es gab auch die unvermeidlichen Ratten, die zusammen mit Schweinen und Hühnern in den Abfallhaufen nach etwas Fressbarem suchten.
    Noch hielten sich die üblen Gerüche aus den Rinnsteinen in Grenzen. Aus manchen Kaminen quoll ätzender Qualm, den die feuchte Luft in die Gassen zurückdrückte. Nur aus der Bäckerei duftete es angenehm nach frischem Brot.
    Sie durcheilten die Gassen in zügigem Schritt, denn sie muss­ten fast die gesamte Stadt durchqueren. Die Vorlesungen der Rechtsfakultät fanden im Kreuzgang des Thomasklosters statt. Je näher sie dem Kloster am Pleißemühlgraben kamen, umso feuchter wurde es. Vom Wasser her stiegen Nebel auf und waberten durch die Luft. Die umherhuschenden Mönche, die sich zur Prim sammelten, wirkten wie dunkle Gespenster und ähnelten den schwarzen Rabenvögeln unten an der Jakobsmühle.
    Als die Gruppe den Markt querte, kam sie am Handelshaus Preller vorbei. Klaus erinnerte sich an den interessanten Tag bei der Familie des Kaufmanns, weniger wegen des Reisenden mit seinen seltsamen Erzählungen als wegen Katharina. Wenn er an sie dachte, begannen seine Augen zu leuchten und seine Ohren zu erröten. Vor allem der wunderbare Einblick in ihr Mieder hatte es ihm angetan.
    Sein Blick fiel auf Siebenpfeiffers Rücken, der vor ihm hereilte, dass sein schwarzer Umhang wehte. Der Glückliche, er unterrichtete die beiden Schwestern, und wahrscheinlich war ihm egal, wie tief Katharinas Kleiderausschnitt war. Oder kleideten sie sich während des Unterrichts gar hochgeschlossen, um den Magister nicht zu verunsichern? Vielleicht konnte er dem Magister eine pikante Schilderung entlocken, wenn dieser ordentlich getrunken hatte.
    Im Kreuzgang des Thomasklosters war es eisig kalt und feucht. Johann legte das Bücherpaket des Magisters auf das Katheder und hockte sich dann zu den anderen Studenten auf den Boden, die sich mittlerweile versammelt hatten. Wohlweislich lag in seiner Ledermappe neben Pergament, Feder und Griffel auch ein Stück Filz, das er sich unter den Hintern schob. Die anderen Studiosi lästerten wegen seiner Weichlichkeit. Aber Johann kränkelte häufig, und seit zwei Jahren quälte er sich mit einem hartnäckigen Husten herum.
    Während die Mönche sich in der Kirche zur Prim versammelten, beteten die Studenten gleich am Ort der Vorlesung. Nach dem Gebet hob der Magister den Kopf und blickte über seine Studenten.
    »Accipies tanti doctoris dogmata sancti«, begann er. »Nimm vom Professor die heiligen Lehren an.«
    Dann setzte Magister Siebenpfeiffer sein Brille auf und schlug andachtsvoll eines seiner kostbaren Bücher auf. In den nächsten drei Stunden würde er die Hauptvorlesung abhalten, langsam, damit alle Studenten mitschreiben konnten. Die wenigsten besaßen eigene Bücher. Insofern hatten die Studenten, die bei einem Magister oder Professor lebten, den unschätzbaren Vorteil, in dessen Büchern nachlesen zu können. Darauf vertrauten sowohl Klaus als auch Melchior. Letzterer weilte wohl in Gedanken schon bei den Wäscherinnen, die er in der Mittagspause auf den Bleichwiesen besuchen würde.
    Doch Klaus’ Gedanken wanderten in Richtung Marktplatz zu dem Haus mit dem hübschen Stufengiebel. Dort würde nun sicher emsiges Treiben herrschen. Waren würden abgeladen, ein­ge­lagert, andere in mächtige Planwagen verstaut und vom Buch­halter akribisch notiert werden. Und im Haus würden die ­hübschen Zwillinge allen Knechten, Gehilfen, Handelsleuten, Kun­den und Besuchern den Kopf verdrehen. Ob der Magister auch heute wieder zu einer kleinen Unterrichtsstunde bei ihnen vorbeischaute?
    Monoton las Magister Siebenpfeiffer aus einem Lehrbuch über römisches Recht. Die Vorlesungen wurden ausnahmslos in Latein gehalten, der Sprache der Gelehrten.
    Klaus musste daran denken, wie er als Kind in der Klosterschule Latein gelernt hatte. Ein Mönch unterrichtete die Buben mit unerbittlicher Strenge und mit dem Rohrstock. Die Deklination der Verben war ihm eingeprügelt worden. Noch heute schmerzten seine Fingerspitzen, wenn er daran dachte. Es gab angenehmere Dinge, als lateinische Verben zu deklinieren. Die meisten seiner Mitschüler begriffen ohnehin nicht viel davon. Sie waren Söhne von Gewerbetreibenden, Gutsbesitzern und Händlern, die rechnen können und des Schreibens mächtig sein muss­ten. Latein war etwas für die geistigen

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