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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Wissenschaften.
    Klaus war der einzige Schüler der Klosterschule, dem der Mönch eine überdurchschnittliche Begabung bescheinigte und ihm anriet, es mit einem Studium zu versuchen. Schon wegen seiner Intelligenz mochte er den Knaben nicht. Der Schüler durfte nicht klüger als der Lehrer sein, und so bekam Klaus beim kleinsten Fehler bereits die Weidengerte zu spüren.
    »Ich will Jurisprudenz studieren«, eröffnete er eines Tages dem verblüfften Vater seine Lebenspläne. »Dann kann ich diesen Mönch verurteilen und ihn auf dem Scheiterhaufen für all seine Untaten büßen lassen, die er mir angetan hat.«
    Sein Vater hatte schallend gelacht und ihn darauf hingewiesen, dass das erst im Fegefeuer geschehen würde, dazu bedürfe es keines studierten Richters namens Klaus Landmann. Auch wenn er ein Gut besäße, das einen kleinen Erlös abwarf, so dächte er nicht im Traum daran, seinem Sohn eine derartig brotlose Kunst zu finanzieren.
    Doch schließlich kam es anders. Sein Vater kränkelte und verkaufte das Gut. Es brachte einen ordentlichen Batzen Geld, der Vater und Mutter ein bescheidenes Auskommen bei Verwandten sicherte. Seine ältere Schwester war mit einem Lehensritter verheiratet und lebte in gesicherten Verhältnissen.
    So konnte Klaus seinen Anteil dazu verwenden, endlich zu studieren.
    Als Grünschnabel kam er vor sieben Jahren nach Leipzig und besuchte zunächst die Artistenfakultät, an der er eine Art Grundstudium absolvierte. Dazu musste man keinerlei Aufnahmeprüfungen ablegen; es war nicht einmal notwendig, eine Schule besucht zu haben. So fiel es Klaus leicht, die Lektionen des Trivium in Latein, Dialektik und Rhetorik zu absolvieren, die er für die erste Prüfung benötigte. Nach drei Jahren konnte er sich den Fächern des Quadrivium zuwenden. Nun standen Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik auf dem Lehrplan. Nur zwei Jahre später meldete sich Klaus zur Abschlussprüfung an und erlangte seinen Magister artium. Nun endlich konnte er sich der Jurisprudenz zuwenden. Er hätte natürlich auch Philosophie wählen können. Siebenpfeiffer unterrichtete beides, und Klaus konnte sich immer noch überlegen, welche endgültige Richtung er einschlagen wollte.
    Im Augenblick jedoch interessierte ihn weder das eine noch das andere. Aus den lateinischen Buchstaben, die er auf sein minderwertiges Mitschriftpergament schrieb, wurden Kringel und Kreise, Muster und kleine Zeichnungen. Eine zeigte einen weiblichen Torso mit kugelrunden Brüsten, die aus einem geschnürten Mieder herausquollen. Johann stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite.
    »Das hat der Magister aber nicht vorgelesen«, raunte er.
    »Ich lese heute Abend nach, was mir fehlt«, erwiderte Klaus und streckte seine steifen Knie.
    »Heute Abend? Kommst du nicht mit ins Badehaus? Wir sollten uns wieder einmal der körperlichen Pflege widmen.«
    »Kommt Melchior mit? Mein Geldbeutel schlägt ziemliche Falten.«
    »Ganz sicher lässt er sich das nicht entgehen.«
    Sie konnten Melchior nicht fragen, denn er befand sich noch im Trivium und paukte Latein und Rhetorik. Bei seinen mäßigen Bemühungen war fraglich, wann und ob er überhaupt jemals einen Abschluss machen würde. Aber je länger er studierte, desto besser für die anderen, die von seinem gefüllten Geldbeutel profitieren konnten. Klaus vermutete, dass Magister Siebenpfeiffer ihn auch deswegen unter seine Fittiche und in seine Kammer genommen hatte.
    »Ruhe«, raunte einer der Scholaren vor ihm und drehte sich ärgerlich um. So ein undisziplinierter Haufen die Studenten auch sonst sein mochten, während der Vorlesungen herrschte Ruhe. Auch Magister Siebenpfeiffer besaß eine Rute, um sich notfalls Respekt zu verschaffen.
    Klaus lehnte sich an eine Säule des Kreuzganges und gähnte. Bald war es neun Uhr, und die Terz verschaffte ihnen eine kurzzeitige Erholungspause. Dann folgten die außerordentlichen Vorlesungen und Repetitionen zur Hauptvorlesung bis zur Sext, zur Mittagszeit. Klaus erhob sich und streckte seine steifen Glieder.
    Als endlich die Glocke zur Sext vom Turm der Thomaskirche läutete, atmete Klaus erleichtert auf. Während der letzten drei Stunden war in ihm ein Plan gereift. Der Magister würde sicher seine Mittagspause wieder bei Kaufmann Preller verbringen. Klaus würde ihn fragen, ob er ihn begleiten dürfte, um dem Unterricht der Zwillinge beizuwohnen. Er wusste nur nicht, wie Siebenpfeiffer darauf reagieren würde.
    Von der Sext bis zur None um drei Uhr am

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