Die Schwester der Nonne
Papier war, wie man es zum Buchdruck verwendete. Ihm schien es eine Verschwendung, dass es die Mädchen für Mitschriften benutzten. Konnten sie überhaupt richtig schreiben?
Der Magister begann seine Lehrstunde mit einem kurzen griechischen Text, den die Mädchen ins Lateinische übersetzen mussten. Danach lösten sie einige Worträtsel, um ihre Logik zu schulen. Vor allem Katharina zeigte dabei einen glasklaren Verstand. Maria stand ihr kaum nach.
Als Nächstes unterrichtete der Magister die Mädchen in Rhetorik. Katharina sollte einen Brief an Maria und Maria einen Brief an Katharina schreiben. Gegenstand des Schreibens war ein Bibelzitat, das erklärt werden sollte. Klaus staunte, wie gewandt die beiden Mädchen mit der Sprache umgehen konnten.
Doch noch erstaunter war der junge Mann, als es dann um die Arithmetik ging. Im Rechnen waren beide unschlagbar. Wahrscheinlich war ihnen das vom Vater in die Wiege gelegt worden.
Letzter Punkt auf dem Stundenplan war Sternenkunde, wo sich der Magister über die Deutung bestimmter Konstellationen von Himmelskörpern ausließ. Beide Mädchen gaben sich große Mühe, doch Katharina zeigte sich aufgeregt durch die Anwesenheit des Studenten. Immer wieder warf sie ihm heimliche Blicke zu und senkte schnell den Kopf, wenn ihre Blicke sich trafen.
Magister Siebenpfeiffer schien das nicht zu bemerken, und wenn, reagierte er nicht darauf. Mit unbewegter Miene vermittelte er den Lehrstoff. Mit einem Schlag fiel es Klaus wie Schuppen von den Augen. Dieser Stoff war Inhalt des Universitätsstudiums! Zwar ging der Lehrer nicht so in die Tiefe, aber letztlich lehrte er die Mädchen die Fächer des Triviums und des Quatriviviums in der klassischen Form. Und die beiden Mädchen beherrschten den Stoff! Er würde ihn bei Gelegenheit befragen müssen, wie das möglich war. Frauen besaßen doch viel kleinere Gehirne!
Nach zwei Stunden hörte der Magister auf, und Walburga brachte ihm seine Mahlzeit, die er sich redlich verdient hatte. Klaus saß noch immer stumm und beeindruckt an der Seite.
»Nun, Herr Studiosus, wie seid Ihr mit unseren Leistungen zufrieden?«, fragte Katharina mit glühenden Wangen. »Ihr schaut so verwundert drein, als hättet Ihr eben etwas Unbegreifliches erlebt.«
»Ja … nein … das heißt, es war … gut, ja, wirklich … Ihr seid außerordentlich belesen und geschickt im Umgang mit Wort und Zahl.«
»Als Kaufmannstöchter müssen wir das sein«, erwiderte Maria. »Unser Vater hat uns schon zeitig damit in Berührung gebracht. Glaubt mir, es ist etwas ganz anderes, wenn man die Bibel auch lesen kann, anstatt nur von der Kanzel gepredigt zu bekommen. Es stehen so interessante Dinge darin.«
»Da Ihr des Lateinischen kundig seid, steht Euch auch diese Welt offen«, erwiderte er.
»Oh, Ihr habt bestimmt noch nichts gegessen«, stellte Maria fest. »Kommt mit in die Küche und lasst Euch auch eine Schüssel von der köstlichen Suppe geben.«
Erst jetzt bemerkte Klaus, wie sich sein Magen schmerzhaft zusammenzog. Der Duft von gelben Erbsen und Rauchfleisch stieg ihm verführerisch in die Nase. Katharina fasste einfach seine Hand und zog ihn mit sich zur Küche.
»Walburga, eine Schüssel Suppe für unseren Herrn Studiosus und ein schönes Stück Fleisch noch obendrein.«
»Aber gern. Er sieht recht dünn aus, der Herr Gelehrte. Ist wohl eine magere Kost, das Wissen zwischen den Buchdeckeln?«, scherzte sie, während sie eine große Kelle der gelben Erbsensuppe aus dem Topf holte und in eine Schüssel kippte. Dann legte sie ihm ein Stück Rauchfleisch obendrauf.
Klaus fühlte sich wie im Paradies. Dass sich Katharina neben ihn auf die Küchenbank setzte und ihm beim Essen zusah, erhitzte ihn innerlich. Plötzlich sprang sie auf, holte in einem Becher Wein, den sie mit Wasser mischte, und stellte ihn vor Klaus auf den Tisch.
»Es ist mir eine große Freude, dass Ihr den Magister begleitet habt«, sagte sie und senkte schnell den Blick.
»Hmmmmpf.« Klaus kaute und stopfte. Walburga beglückte ihn noch mit einem Kanten Brot.
»Kommt Ihr morgen wieder mit?«
Er zuckte mit den Schultern und spülte das Essen mit Wein herunter. Dann wischte er sich mit dem Ärmel den Mund ab.
»Wenn Ihr es wünscht, holde Dame, und der Magister es erlaubt.«
»Oh ja, wir wünschen es, nicht wahr, Maria?« Doch Maria hatte die Küche schon wieder verlassen. Ihr waren die Anbiederungsversuche ihrer Schwester zu peinlich. Sie würde oben in der Kammer ein paar Worte mit
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