Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
Vom Netzwerk:
alle Waren gelagert, die zum Weiterverkauf bestimmt waren. Waren aus dem Westen wurden nach dem Osten weiterverkauft, und Waren aus dem Osten fanden den Weg nach dem Westen. Waren aus dem Böhmischen gelangten ins Schleswigsche, und Waren aus dem Pommerschen bis hinunter nach Italien.
    Vom Speicherboden gab es eine Luke hinaus auf die Gasse vor dem Haus. Über der Luke war an einem Ausleger eine Rolle angebracht, über die ein Seil lief. So konnten die Waren direkt vom Speicherboden auf die unten wartenden Fuhrwerke oder umkehrt vom Fuhrwerk auf den Speicherboden geladen werden. Säcke, Kisten, Ballen und Fässer stapelten sich zwischen den mächtigen Balken, die das Dach trugen. Der Boden bestand aus einem einzigen großen Raum. Nur im hintersten Teil waren mehrere Kammern durch Lattenzäune abgegrenzt.
    Sonst war hier oben immer geschäftiges Treiben, weil die Knechte ständig etwas umzulagern hatten. Heute jedoch war es still. In der Frühe war ein Zug mit drei Fuhrwerken gen Westen aufgebrochen, mit Leder, Pelzen und wertvollen Hölzern aus den russischen Wäldern. Jetzt gab es nichts zu tun, und die Knechte waren mit dem Tross unterwegs.
    »Hier entlang«, flüsterte Katharina und nahm Klaus an der Hand. Sie führte ihn in den hinteren Bereich, wo sie eine der Kammern öffnete, die verschlossen waren.
    »Das sind keine Handelswaren. Die Knechte dürfen diese Kammern nicht öffnen. Vater hat nie gesagt, wozu das ganze Zeug gut sein soll. Vielleicht lässt es sich nicht verkaufen.«
    Sie führte ihn zu einer schweren Eichentruhe, deren Schloss defekt war. Katharina klappte den Deckel auf und nahm vorsichtig ein Päckchen heraus. Fast andachtsvoll schlug sie das Tuch auf. Das Buch war sehr dick, auf Pergament geschrieben und in grünes Leder gebunden.
    Katharina und Klaus hockten sich auf den Boden, das Buch vor sich. Klaus öffnete den Buchdeckel. Das Werk musste sehr alt sein. Die Schrift war stark verschnörkelt mit großen Initialen, wie man sie im Kloster verwendete. Das Pergament war vergilbt und brüchig. Die Bilder zeichneten sich durch eine sehr schöne Kolorierung aus. Im ersten Teil waren Pflanzen abgebildet, Bäume, Sträucher, Gräser, Blumen. Zu jedem Abbild gab es eine kurze Erläuterung.
    Der zweite Teil widmete sich den Tieren. Es wurden sowohl einheimische Arten wie auch seltsame, nie gesehene Tiere beschrieben, wie sie wohl in fernen Ländern hinter dem Horizont beheimatet waren.
    Im dritten Teil jedoch stand der Mensch im Mittelpunkt. Darin wurden sowohl verschiedene Menschenrassen beschrieben wie auch der Mensch an sich. Einige Bilder waren besonders bemerkenswert. Da war ein nackter Mann abgebildet. Man konnte seinen Körper wie ein Buch aufklappen und darunter kam zum Vorschein, wie es unter seiner Haut aussah. Da gab es Muskeln und Sehnen und Blutgefäße, das Bild sah so grauselig aus, dass Katharina den Blick abwendete. Blätterte man weiter, öffnete sich der Körper ganz mit seinen inneren Organen, dem Herz, dem Magen, der Leber und den schlangengleich gewundenen Därmen. Und im untersten Bild war es nur noch ein Skelett mit all den bleichen Knochen und einem grinsenden Totenschädel. Ein ähnliches Bild gab es auch von einer Frau. Nackt wie Eva stand sie auf dem ersten Bild und lächelte dem Betrachter entgegen. Wenn man das Bild aufklappte, waren ihre Muskeln und Sehnen und Blutgefäße zu sehen, auf dem nächsten Bild ihre inneren Organe. Bemerkenswert war die Darstellung eines ungeborenen Kindes in ihrem Bauch. Auf dem letzten Bild sah sie aus wie der Mann auf seinem letzten Bild, ein Gerippe mit einem grinsenden Totenschädel.
    »Was sagt Ihr zu diesem Buch, Herr Studiosus?«
    Klaus klappte das Frauenbild wieder zu und betrachtete es mit glühenden Ohren. »Nun, ich … ich bin zwar kein Mediziner, aber wir … wir könnten ja streng wissenschaftlich darüber …«
    »Natürlich streng wissenschaftlich«, bestätigte Katharina eifrig.
    »Ja, also …« Er räusperte sich. Plötzlich fühlte er sich wieder so gehemmt wie im Badehaus. »Es ist so, dass … dass Gott zwei verschiedene Menschen geschaffen hat, Mann und Frau.«
    Mit großen Augen lauschte Katharina ihm, und auch ihre Wangen hatten sich heftig gerötet. »Warum hat er zwei ge­macht?«, flüsterte sie.
    »Warum? Ja, weil … weil einer allein – das geht eben nicht.«
    »Was geht nicht?«
    »Das mit der … mit dem … eben das mit der Fortpflanzung. Wenn es nur einen Teil gibt, kann er sich nicht fortpflanzen.«
    »Ihr

Weitere Kostenlose Bücher