Die Schwester der Nonne
gab mit Brot gefülltes Hühnchen, in saurer Weinsoße gekocht und mit Honig gesüßt. Dazu reichte Katharina ihm zwei Mehlklöße, die mit Rosinen verfeinert waren. Danach gab es Salbeitorte und heißen Schweinebraten, der mit gebratenen Apfelwürfeln abgeschmeckt, mit Rosinen, zerstoßenem Ingwer und Pfeffer übergossen wurde.
»Schmeckt es?«, wollte Katharina wissen und setzte sich ihm wieder gegenüber, um ihm beim Essen zuzuschauen.
»Warum esst Ihr nicht mit mir?«, fragte Klaus.
Katharina schüttelte den Kopf.
»Wir essen immer erst gegen Abend, gemeinsam mit dem Vater und Philomena. Aber ich habe natürlich schon gekostet, ob das Hühnchen gar und die Soße nicht zu sauer ist, bevor ich sie Euch anbot.« Sie lächelte verschmitzt.
Klaus schmeckte es ausgezeichnet, und nach der schmalen Kost, die sonst seine Mahlzeiten bestimmte, war dies ein wahrer Festschmaus.
In Katharinas Augen glitzerte es. Etwas schien ihr unter den Nägeln zu brennen, aber sie schwieg, während sie ihn unverwandt anblickte. Immer wieder blitzte die kleine, himbeerfarbene Zungenspitze zwischen ihren geöffneten Lippen hervor, fuhr von einem Mundwinkel zum anderen und hinterließ eine feuchte, glänzende Spur. Klaus vergaß zu kauen und starrte auf ihren Mund.
Die verführerischen Lippen verbreiterten sich zu einem Lächeln und ihre ebenmäßigen, perlengleichen Zähne wurden sichtbar.
»Was habt Ihr? Warum esst Ihr nicht weiter?«
Klaus fuhr sich mit dem Ärmel über den Mund, von wo das Bratenfett zum Kinn hinabtropfte.
»Ihr seid sehr hübsch, Jungfer Katharina.«
»Deswegen muss man doch nicht gleich das Essen vergessen«, erwiderte sie lachend. Doch dann wurde ihr Gesicht ernst und geheimnisvoll. Sie beugte sich zu ihm vor, und er kam ihr liebend gern entgegen. Fast berührten sich ihre Nasenspitzen, und ihre Blicke versanken ganz tief ineinander.
»Ich habe eine große Bitte an Euch«, flüsterte Katharina.
»Ja?«, hauchte er zurück.
»Ich möchte, dass Ihr mir noch viel mehr lehrt. Alles, was in dem dicken Buch steht.«
»Welchem dicken Buch? Der Bibel?«
»Nein, dem dicken Buch auf unserem Speicherboden.«
»Was ist das für ein Buch? Ich kenne es nicht. Könnt Ihr es nicht herbringen, damit ich es anschauen kann?«
Sie schüttelte unmerklich den Kopf.
»Es ist ein verbotenes Buch.«
»Ein ve r …« Er kam nicht weiter, denn Katharinas kleine Hand legte sich blitzschnell auf seinen Mund.
»Pssst! Es darf niemand wissen.«
Er zwinkerte mit den Augen zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Sie nahm ihre Hand wieder weg und wischte sie verstohlen an ihrem Rock ab.
»Was ist das für ein Buch?«, raunte er.
»Ein Buch mit vielen Bildern. Da sind Pflanzen und Tiere und auch Menschen. Die sind nackt und tot, aber sie sehen aus, als ob sie leben.«
Er runzelte die Brauen und blickte sie zweifelnd an.
»Ein Zauberbuch?«
»Nein, ich glaube nicht. Es ist in Latein abgefasst, aber ich verstehe es trotzdem nicht. Ich möchte, dass Ihr es mir erklärt.«
»Euch allein?«
Katharina nickte heftig.
»Maria hat es zwar entdeckt und mir davon erzählt, aber sie will es sich nicht richtig anschauen. Sie sagt, es wäre ein sündhaftes Buch.«
»Und das liegt bei Euch auf dem Speicherboden?«
»Ja doch. Ich weiß nicht, woher es stammt und wer es da hinauf gelegt hat. Ich wage auch nicht, Vater danach zu fragen. Deswegen bitte ich Euch, es mir zu erklären. Ihr seid ein studierter Mann und sehr klug und werdet es bestimmt verstehen.«
»Bestimmt«, nickte Klaus und wischte sich wieder über den Mund. »Aber wie soll ich auf den Speicherboden gelangen, ohne dass es jemand merkt?«
»Wir werden beide hinaufgehen, wenn die lectio beendet ist. Ihr müsst sie ein bisschen eher beenden und schnell essen, dann bleibt Zeit, um auf den Speicher zu gehen. Heimlich, versteht sich.«
»Versteht sich«, gab er zurück.
Die Stimme des Magisters war auf dem Gang zu hören. Klaus erhob sich.
»Ich danke Euch, Katharina, für das Mahl und Euer Vertrauen und überhaupt alles.«
Er griff verstohlen nach ihrer Hand und drückte sie fest. Dann eilte er hinaus.
Klaus konnte es kaum erwarten bis zum nächsten Mittag. In Gedanken weilte er schon bei Katharina und dem Dachboden und überlegte, was das für ein Buch sein könnte. Ganz sicher war es ein Buch über schwarze Magie. Diese Philomena war zwar eine recht hübsche Frau, aber er argwöhnte, dass sie aus dem Orient stammte und der Zauberei mächtig war. Er sollte besser auf der
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