Die Schwester der Nonne
ihn ganz davon abgehalten.
Klaus jedoch war froh, dass er mit den Zwillingen allein sein konnte. Sie hatten sich, wie jeden Tag, im hinteren Zimmer eingefunden und warteten still, bis der Magister erschien. Als sie stattdessen Klaus erblickten, waren sie überrascht und gleichzeitig hocherfreut. Vor allem Katharina konnte ihre Freude nicht verbergen und glühte wie eine gerade erblühte Rose. Sie gab sich besondere Mühe, und beide Mädchen wetteiferten um die besten und schnellsten Ergebnisse in der Arithmetik, die klügsten Gedanken in der Philosophie und gefälligsten Reden in der Rhetorik. Zum Abschluss beschäftigten sie sich mit den Naturwissenschaften. Der Lauf der Gestirne und die einzelnen Sternzeichen vermittelten ihnen ein Gefühl der göttlichen Nähe.
»Werdet Ihr auch weiterhin kommen und uns unterrichten, Herr Studiosus?«, wollte Katharina wissen.
»So es dem Magister beliebt und es Euer Vater gestattet, Fräulein Katharina«, erwiderte er und seine Augen verirrten sich von ihrem hübschen Gesicht zu ihrem Busen, der sich heftig bewegte. Er dachte an den vergangenen Abend und stellte sich Katharina unbekleidet und nass in einem dampfenden Zuber vor. Unvermittelt schüttelte er den Kopf. Solch unkeusche Gedanken sollte er sich besser verkneifen.
»Was habt Ihr? Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte Katharina und zupfte etwas verlegen an ihrem Kleid.
»Nein, nein, ganz im Gegenteil.« Klaus errötete.
Er war froh, dass die sonst allgegenwärtige Amme dem Unterricht nicht beiwohnte, weil sie von diesem »Teufelszeug« nichts hielt. Ihrer Meinung nach brachte das Lesen, Schreiben und Rechnen eine wahrhaft christliche junge Dame nur vom rechten Glauben ab. Für eine Frau gab es nur zwei gottgefällige Wege, entweder dem Herrn zu dienen und ins Kloster zu gehen, oder sich einem Mann unterzuordnen und ihm viele Kinder zu schenken. Dazu musste man aber weder schreiben noch lesen können und sich erst recht nicht mit philosophischen Fragen oder gar dem Lauf der Gestirne beschäftigen. Ihre Einwände stießen bei Hieronymus allerdings auf taube Ohren.
»Wollt Ihr Euch nicht Euren Lohn in der Küche holen?«, fragte Maria. »Schließlich habt Ihr genauso gearbeitet wie sonst der Magister.«
»Aber der Magister bekommt doch auch etwas zu essen«, rief Katharina erschrocken.
»Selbstverständlich.« Maria, die Ältere, Beherrschtere, Weisere warf ihrer Schwester einen tadelnden Blick zu. »Wir sind dem Herrn Magister zu tiefstem Dank verpflichtet.«
»Das ist sehr weitherzig von Euch«, sagte Klaus zu Maria, die verlegen den Blick senkte. »Schließlich ist es schon ungewöhnlich, dass junge Damen auf diese Art unterrichtet werden.«
»Am liebsten würde ich auch auf der Universität studieren«, sagte Katharina keck. Maria schnappte nach Luft.
»Du erzählst Unsinn«, schalt sie ihre Schwester. »Wie kannst du nur solche Gedanken hegen. Schließlich sind wir keine Männer.«
»Was hat das denn damit zu tun?«, verteidigte sich Katharina. »Der Magister sagte, der Lehrstoff, den er uns hier vermittelt, ähnele dem, der an der Universität gelehrt wird.«
»Da habt Ihr nicht ganz Unrecht«, mischte sich Klaus in den Disput ein. »Allerdings ist er an der Universität weitaus umfangreicher, so dass er von einem weiblichen Gehirn nicht erfasst werden kann. Deshalb können Frauen niemals studieren.«
Er schaute Katharina an.
»Aber ich gebe zu, Ihr seid sehr klug und im Denken sehr wendig. Das gefällt mir.«
Nun senkte auch Katharina verlegen den Blick und errötete vor Freude über das Kompliment.
»Kommt, ich begleite Euch zur Küche, damit Ihr Euer Essen erhaltet.«
Auf dem Gang begegneten sie dem Magister.
»Wie war die lectio, Agricola?«
»Sehr zufriedenstellend, Herr Magister«, erwiderte Klaus. Und leiser fügte er hinzu: »Für Frauen ungewöhnlich gut.«
Siebenpfeiffer schmunzelte.
»Dann passt nur auf, dass sie Sie nicht übertrumpfen, Agricola. So manche Frau ist das Gehirn des Mannes, auch wenn der Papst derartige Gedanken für einen Ausbund an Gotteslästerung hält.«
»Kommt, Herr Magister, ich lasse Euer Mahl im Zimmer servieren«, bat Maria ihn.
Klaus ging, begleitet von Katharina, zur Küche. Er würde nicht gemeinsam mit seinem Magister speisen, weil sonst die Ordnung gestört werden würde. Nur zu besonderen Anlässen wie einer offiziellen Einladung, durfte er gemeinsam mit ihm am Tisch sitzen, und natürlich in der Schänke, wo sich die Grenzen ohnehin verwischten.
Es
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