Die Schwester der Nonne
meint, dass jeder Teil seine Aufgabe hat.«
»Genau«, rief er erleichtert, dämpfte dann aber schnell seine Stimme. »Streng wissenschaftlich gesehen bekommt das Weib die Kinder, und der Mann zeugt sie. Das ist bei den Eseln so und bei den Hühnern und bei den Menschen eben auch.«
Katharina tippte auf das Bild der nackten Frau.
»Und deshalb sehen sie auch so unterschiedlich aus.«
»Richtig. Wissenschaftlich gesehen sind bestimmte Körperteile … für bestimmte Handlungen da. Die Brust zum Beispiel zum Säugen des Kindes.«
»Hühner haben keine Brust«, warf Katharina ein. »Und sie bekommen auch keine Kinder. Sie legen Eier.«
»Ja, sie legen Eier. Die brüten sie aus. Streng wissenschaftlich sind sie anders als Esel und Menschen.«
»Warum?«
»Gott hat es so eingerichtet. Nur er weiß, warum. Wahrscheinlich, damit wir die Eier essen können, bevor sie das Huhn ausbrütet.«
»Das hat Gott schlau gemacht.« Sie tippte nun auf den nackten Mann. »Warum sieht das Geschlechtsteil des Mannes so seltsam aus? Unsere Schweine haben diesen Zipfel hinten.«
»Ich … ich glaube, dass das etwas anderes ist. Dass der Mensch überhaupt anders ist wie ein Tier. Manches ist ähnlich, aber eigentlich sind die Menschen anders.«
»Wie anders?«
»Weil sie denken können. Und sie wissen, warum sie etwas tun. Meistens jedenfalls.«
Sie betrachtete nachdenklich die Bilder.
»Sehen wirklich alle Männer und Frauen nackt so aus?«
Klaus hob die Schultern.
»Ich denke schon.«
Katharina begann zu kichern.
»Ich habe einmal einen nackten Mönch unten am Fluss gesehen. Der sah ein bisschen anders aus. Er war viel dicker, und er hatte einen fetten Bauch und kurze Beine. Aber so einen Zipfel hatte er auch.«
»Alle Männer haben diesen Zipfel«, stellte Klaus klar. »Damit sie pinkeln können.«
»Ich habe keinen solchen Zipfel und kann auch pinkeln. Da hat Gott wohl etwas verkehrt gemacht.«
Klaus war froh, dass es auf dem Speicher so dämmrig war.
»Gott macht alles richtig. Dieser Zipfel dient außerdem zur Zeugung. Hat Euch das Eure Amme nicht erklärt?«
»Unsere Amme?« Sie lachte auf. »Für die ist so etwas nur Teufelszeug.«
»Vielleicht könntet Ihr Philomena befragen?«
Katharina schüttelte entschieden den Kopf.
»Dann müsste ich ihr ja sagen, dass ich mir das Buch angeschaut habe. Ich weiß nicht, ob ihr das gefallen würde. Oder sie sagt es unserem Vater, und er würde uns beide bestrafen. Maria hat es schließlich entdeckt.«
»Nun ja, streng wissenschaftlich … also, das mit der Zeugung ist so … verdammt, das geht nicht so. Dazu müssen Mann und Frau verheiratet sein.«
»Aber manchmal bekommt eine Frau doch ein Kind, auch wenn sie nicht verheiratet ist. Unsere Küchenmagd zum Beispiel.«
Klaus seufzte.
»Natürlich geht das auch, wenn Mann und Frau nicht verheiratet sind. Und dann kann man es auch so tun, dass … dass dabei kein Kind gezeugt wird. Aber … aber das ist nicht gottgefällig, weil … weil …«
»Weil?«, bohrte Katharina.
»Weil es einfach nur der Lust dient.«
»Ihr meint, es macht Spaß?«
»Ja.« Er schnaufte. »Zumindest dem Mann macht es Spaß. Und deshalb geht der Mann, wenn er nicht verheiratet ist, zu … zu einer …«
»Einer Prostituierten?«
Er starrte sie an.
»Was wisst Ihr denn darüber?«
»Vater hat erzählt, dass sie im Stadtrat beschlossen haben, dass keine Huren mehr in den Weinschänken und Kellern geduldet werden und dass sie als Zeichen diese kurzen gelben Mäntel zu tragen hätten.«
»Das ist aber kein Thema für ein junges Mädchen«, tadelte er.
»Ich weiß, aber Vater erzählt immer alles, was im Rat besprochen wurde. So weiß ich eben von den Huren.« Sie lächelte zaghaft. »Wenn es den Männern Spaß macht, warum haben denn die Frauen dann daran keinen Spaß?«
»Ich … ich weiß nicht. Also … manchen Frauen … macht es schon Spaß.«
»Wirklich? Kennt Ihr solche Frauen?«
»Ich? Äh … puh!« Er fuhr sich durchs Haar. »Ihr stellt seltsame Fragen.«
»Verzeiht meine Unkenntnis. Ich bin schließlich nur eine Frau. Aber Ihr seid ein Gelehrter und dazu noch ein Mann.«
»Ja doch. Aber das … das lernt man nicht auf der Universität.«
»Nein? Wo dann?«
»Das … das lernt jeder für sich … so allein … oder zu zweit.«
»Könnt Ihr es mir beibringen?«
»Ich?« Klaus riss die Augen auf und Mund und Nase dazu.
Katharina blickte ihn bittend an.
»Natürlich streng wissenschaftlich.«
»Ja, also, wenn es
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