Die Schwester der Nonne
lieber Hieronymus. Deine Töchter werden ebenso Gefallen daran finden. Du solltest keine Gewissensbisse haben, sie aus dem Haus zu geben. Da sie von dir eine anständige Mitgift bekommen, wird es nicht schwer sein, für sie gute Ehemänner zu finden. Gib ihnen reiche Kaufmannsgatten, so bist du dir sicher, dass deine Töchter angemessen versorgt sind.«
»Meine Töchter aus dem Haus geben?« Hieronymus schüttelte sich wie ein nasser Hund. »Da bringe ich mich ja selbst um den Anblick meiner liebreizenden Mädchen. Und Kaufmannsgatten? Die jungen Kaufleute sind jahrelang mit ihren Wagen unterwegs in ferne Länder und lassen ihre Gattinnen allein. Schutzlos!«
Er seufzte laut.
»Ich bringe es nicht übers Herz.«
»Papperlapapp. Die beiden werden alte Jungfern, ehe du dich versiehst, und dann bekommen sie nicht einmal mehr einen alten Kaufmann zum Gatten. Du solltest es mit deiner Güte nicht übertreiben.«
»Ich verstehe nicht, warum du plötzlich so darauf drängst, dass die Mädchen aus dem Haus sollen, mein Weidenkätzchen. Ich dachte, du verstehst dich gut mit ihnen und bist ihnen eine mütterliche Freundin. Mir ist noch nichts Gegenteiliges zu Ohren gekommen.«
»Selbstverständlich liebe ich sie wie meine eigenen Kinder«, erwiderte Philomena hastig. »Aber es ist einfach nicht gut, wenn Kinder zu lange im Nest hocken. Jeder Vogel und jede Katze weiß das und schickt die Brut beizeiten hinaus. Ihr Streit war ein ernsthaftes Zeichen, dass die traute Kinderzeit vorbei ist.«
»Höre ich da Eifersucht aus deinen Worten, mein Honigmäulchen? Warum drängst du so darauf, dass ich das Liebste, was ich besitze, verliere?«
Philomena hob stolz ihren Kopf, und sie bekam einen strengen Zug um den Mund.
»Ich dränge nicht, sondern ich weise dich nur darauf hin, dass es Zeit ist. Die Körper der Mädchen sind reif. Es bedarf nur wenig, um ihr Feuer anzuheizen. Das muss in die richtigen Bahnen gelenkt werden, sonst geschieht schnell ein Unglück.«
»Ach was.« Hieronymus winkte unwillig ab. »Meine zarten Engelchen wissen noch gar nicht, dass es zwei Sorten von Menschen gibt. Das lernen sie noch zeitig genug. Sie sollen ihre hübschen Köpfchen nicht mit solchen Dingen belasten. Im Augenblick ist es mir wichtiger, dass sie von Siebenpfeiffer und diesem netten jungen Studiosus in den wichtigen Dingen des Lebens unterwiesen werden, nämlich im Schreiben und Kalkulieren. Was soll einmal werden, wenn ich nicht mehr bin? Soll mein Lebenswerk, dieses wunderbare Handelshaus, mit mir zu Asche und Staub werden? Nein, nein, mein kleines Eichkätzchen, ich habe ganz feste Pläne mit den Kindern. Selbst, wenn sie einstmals Ehemänner haben sollten, so werde ich dafür sorgen, dass sie gemeinsam das Handelshaus weiterführen und den Wohlstand mehren. Ein Streit unter Geschwistern ist normal, und Weiber streiten gern. Sie hören auch wieder auf.«
»Weil du gerade vom Streiten sprichst«, sie stockte und warf Hieronymus einen lauernden Blick zu. »Entlass wenigstens die Amme. Sie ist ein unmögliches Weib und mir feindlich gesonnen. Immer hockt sie mit Tante Brigitte zusammen, und dann fallen sie mit garstigen Worten über mich her.«
Sie drückte zwei Tränen aus ihren dunklen Augen und wischte sie mit einer theatralischen Geste ab.
»Du weißt, warum.«
Hieronymus verdrehte genervt die Augen.
»Ja, ja, ich weiß warum. Aber ich kann es nicht ändern. Du weißt, dass wir nicht heiraten können. Du solltest zufrieden sein, so wie es ist. Die Amme passt auf die Kinder auf, und bei Tante Brigitte bin ich verpflichtet, sie ab und zu bei uns zu beherbergen und zu beköstigen. Sie ist ein altes Schreckgespenst, das gebe ich zu, und die Amme hat ein vorlautes und ungehobeltes Wesen. Aber ihr habe ich das Leben meiner zarten Kinder zu verdanken, nachdem Gott mein armes Weib zu sich geholt hatte. Ich bin ihr zu großem Dank verpflichtet und würde es mir niemals verzeihen, sie zu verstoßen. Was hast du überhaupt mit ihr zu schaffen? Geh ihr aus dem Weg und überlass ihr die Aufsicht über die Mädchen. Ich habe keine Lust, mich mit Weiberzänkereien zu beschäftigen.«
»Du bist viel zu großherzig und fütterst zu viele Mäuler durch«, beklagte sich Philomena weiter. »Diesen Gelehrten und seinen Studenten zum Beispiel. So viele Leute gehen im Haus ein und aus, und du bewirtest sie ganz selbstverständlich.«
Hieronymus schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Hör auf zu greinen, Weib! Siebenpfeiffer ist nicht nur
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