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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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ein berühmter Gelehrter, sondern auch ein guter Freund. So mancher Schicksalsschlag hat uns fest zusammengeschweißt.« Er dachte an die Weissagungen des Magisters. »Außerdem verdient er sich sein Brot, indem er meine Töchter in den höheren Küns­ten unterrichtet. Katharina sagte mir, dieser Studiosus hätte erzählt, der Lehrstoff entspräche fast genau dem der Universität. Es ist eine außerordentliche Gnade, dass meinen Töchtern eine hohe Bildung zuteil wird. Bildung ist wichtig für eine Frau. Das müsstest du am besten wissen. Du bist auch klug und belesen.«
    Philomena schluckte und warf den Kopf in den Nacken. Sie wich seinem Blick aus. War es ihre Schuld, dass auch ihr Schicksal Haken schlug? Sie gab ja zu, dass sie gern als Ehefrau dem Prellerschen Haushalt vorgestanden hätte, aber sie wusste auch, dass dies unmöglich war. Dass Hieronymus ihr eine Heimstatt in seinem Haus, an seinem Tisch und in seinem Bett bot wie einem Eheweib, war weit mehr, als sie jemals vom Leben erhofft hatte.
    »Der Student«, wagte sie einen letzten Vorstoß, »macht Katharina schöne Augen.«
    Hieronymus lachte dröhnend.
    »Na und? Katharina ist wunderschön und eine Freude für jedes männliche Auge. Und der Studiosus ist ein gesunder junger Mann. Es wäre verdächtig, wenn er ihr keine schönen Augen machen würde. Lass ihn schauen. Sonst bekommt er ja nichts zu sehen als Bücher und Pergamente und die Brüder im Kloster.«
    »Studenten besuchen Schänken und Freudenhäuser und treiben Unfug und Schabernack.«
    »Ich weiß, meine Liebe, ich weiß. Der Rat hat seine liebe Müh’ mit ihnen.
    Aber wenn so ein junger Mann, statt in der Schänke zu sitzen, lieber meine Töchter unterrichtet, dann trage ich dazu bei, ihn auf dem Pfad der Tugend zu halten. Das ist doch ehrenwert, nicht wahr? So, und nun lass es auf sich beruhen, ich will davon nichts mehr hören. Vertreib mir lieber meine schlechte Stimmung. Sing ein hübsches Lied für mich, spiel auf der Laute oder tanze wie eine junge Birke im Wind.«
    Philomena schmollte noch ein bisschen, da griff Hieronymus in sein Wams und holte ein kleines Beutelchen aus dunkelblauem Samt hervor. Es war mit Goldfäden bestickt und zeigte die Sonne, den Mond und viele kleine, glitzernde Sterne.
    »Schau, was ich für dich habe«, flötete er.
    Ein wenig zierte sie sich, dann flog ein kleines Lächeln über ihr Gesicht, und sie erhob sich. Mit tänzelnden Schritten kam sie näher, setzte sich auf seinen Schoß und nahm das Beutelchen in die Hand.
    »Was ist das?«, fragte sie neugierig.
    »Mach es auf, meine kleine Nachtigall. Es wird dein Herz erfreuen.«
    Vorsichtig öffnete Philomena den Beutel und zog an einem Band einen wunderschönen Anhänger aus gehämmertem Silber hervor, in das ein Vogel aus bunter Emaille eingelassen war.
    »Oh, ist der hübsch«, rief sie erfreut.
    »Wusste ich doch, dass das meiner kleinen Elster gefällt. Schau, wie filigran diese Arbeit ist. Sie stammt aus Konstantinopel von einem berühmten Silberschmied. Er soll als Sklave aus Afrika gekommen sein und wurde durch seine Kunst berühmt. Mein Freund Sikora hat dieses Kleinod von seiner letzten Reise mitgebracht. Ich habe es aufbewahrt, um es dir bei der rechten Gelegenheit zu schenken.«
    »Das ist wirklich sehr lieb von dir«, säuselte Philomena versöhnt und küsste Hieronymus. Zum Schluss biss sie ihn zärtlich ins Ohr.
    »Oh«, kicherte Hieronymus, »Nicht, du weißt doch, dass ich da schrecklich kitzelig bin.«
    Doch Philomena hörte nicht auf, beknabberte ihn mit ihren kleinen weißen Zähnen an all den Stellen, an denen das Hieronymus besonders mochte, während er sich zum Schein lachend und seufzend wehrte.
    Beide merkten nicht, wie die Tür aufgerissen wurde, und die Amme in tödlicher Entschlossenheit hereingeschnauft kam. Sie stoppte und ihr gewaltiger Busen wogte in heller Empörung. Sie rang nach Luft.
    »Am helllichten Tag! Heilige Dreifaltigkeit, so eine Sünde!«
    Sie bekreuzigte sich und warf die Tür wieder zu. Musste sie eben allein auf die Suche nach Katharina gehen.
    Seit dem Streit gingen die beiden Mädchen immer häufiger getrennte Wege. Auch wurde deutlich, dass sich die Zwillinge, wenn sie sich äußerlich auch glichen wie ein Ei dem anderen, charakterlich unterschieden. Maria wurde stiller und in sich gekehrter, verhielt sich wesentlich erwachsener und tugendhafter als die ungestüme Katharina. Die Amme sorgte sich auch weniger um Maria, als um ihre Schwester.
    Nach dem

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