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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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sagt dann wieder schreckliche Dinge.«
    Doch Klaus eilte schon der Brücke zu.
    Tobias klammerte sich mit seinen dürren Fingern am Brückengeländer fest und krümmte sich.
    »Herr, warum erlegst du mir diese Versuchung auf?«, flüsterte er mit trockenen Lippen. Seine Augen waren scharf wie die eines Raubvogels und selbst aus dieser Entfernung hatte er genug gesehen. Dieses Paar trieb es am helllichten Tag in Gottes freier Natur so schamlos miteinander, dass eigentlich der Himmel einstürzen müsste.
    Tobias begriff nicht, dass eine derartige Sünde ungestraft blieb. War dies es eine der unerklärlichen Prüfungen Gottes für seinen treuen Diener? Er musste sich das ansehen, weil es der Propst ihm befohlen hatte, und niemals würde er sich gegen eine ­Weisung des Propstes auflehnen. Niemals würde er Ungehorsam zeigen.
    Die Gehorsamen, die Gottesfürchtigen, die Demütigen wurden belohnt. Ja, auch er würde belohnt werden mit einem kleinen Vorgeschmack aufs Paradies. Ihm würde ein Geschenk zuteil werden, das für ihn die höchste Erfüllung war, gleich nach dem Bestreben, Gott zu dienen.
    Tobias hasste Frauen, er hasste glückliche Paare, er hasste alles, was mit der teuflischen Sexualität zu tun hatte. In allem steckte Satan, in allem steckte das Böse. Es quälte den Menschen mit seinem Drang, mit seiner Lust, mit seiner Pein. Als ziehe der Teufel an seinem Geschlechtsteil, wurde es länger und länger und drückte wie ein Alb.
    »Nein«, wimmerte er. »Nein. Gott vergib mir, es geschieht nicht mit meinem Willen.« Doch nichts war schlimmer, als dass sein Körper sich dem Willen entzog. Er würde sich geißeln, sich in den Staub werfen und im tiefsten Keller Buße tun. Er würde fasten und im kalten Wasser stehen, bis dieser widerliche Trieb aus seinem Körper wich.
    Wasser! Er stakste breitbeinig von der Brücke zum Ufer, hob den Kittel und tauchte seinen Unterleib ins sprudelnde Wasser der Elster. Die Kühle griff mit eisigen Klauen nach seinem Ge­schlecht, und der Schmerz durchzuckte ihn wie ein Peitschenhieb. Gleichzeitig verklärte sich sein Gesicht.
    »Aaaaah«, ächzte er und spürte die Linderung wohltuend.
    Klaus sah vom Brückensteg aus nur das hell schimmernde Hinterteil des Mönchs im Wasser. Wütend lief er am Ufer entlang, sprang in den gurgelnden Fluss und zerrte Tobias an den Falten seiner Kutte heraus.
    »Was tust du da, du grässliches Wesen? Beobachtest uns wie ein geiler Lüstling? Dir werde ich deine Neugier austreiben, so wahr ich der Sohn eines kräftigen Landmanns bin.«
    »Was erdreistest du dich?«, kreischte Tobias auf. »Dir soll deine Hand verdorren und abfallen. Ich verrichte nur meine Notdurft im Wasser.«
    »Notdurft? Dass ich nicht lache. Ein Riesenhorn hast du, weil du uns zugeschaut hast. Deshalb also stehst du auf der Brücke und beobachtest uns. Aber die Schönheit von Katharina gehört mir. Ich bin kein frommer Bruder, sondern darf mit meinem Gottesgeschenk tun, wofür es da ist.«
    »Was bedeutet schon die Schönheit einer Frau?«, giftete Tobias. »Mir bedeutet sie nichts. Die weiße Haut narrt das Auge und ist trügerisch wie dünnes Eis. Wenn der Mensch sehen würde, was sich unter der Haut befindet, würde er sich vor dem Anblick einer Frau ekeln. Sie besteht nur aus Blut und Schleim und Galle. Was da in ihren Nasenlöchern und dem Bauch und den Gedärmen verborgen ist, ist nur Unrat, Schleim und Dreck. Wie könnte ich begehren, das zu umarmen?«
    »Was redest du für einen Unsinn? Was ist mit der Gottesmutter? Sie ist doch auch eine Frau.«
    »Sie ist heilig und unbefleckt. Wie kannst du die Jungfrau mit deiner Hure vergleichen?«
    »Sag das noch einmal, du missratenes Stück Eselsscheiße«, schrie Klaus und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Es knirschte, als die hakenförmige Nase des Mönchs brach, und Blut spritzte hervor.
    »Da hast du es. Unter deiner Haut verbirgt sich Blut und Dreck und Galle. Du bist nichts weiter als eine Ansammlung von Schleim. Du hast Angst vor deinem eigenen Geschlecht. Du hast Angst vor dem anderen Geschlecht. Du hast Angst vor Gottes Schöpfung. Dich plagt das, was du leugnen willst, und erinnert dich daran, dass du nicht wider deine Natur leben kannst, auch wenn du noch so darum kämpfst. Wie ist es, so unvollkommen zu sein? Hasst du dich deswegen? Hasst du alle anderen Menschen deswegen? Hasst du vor allem die Frauen deswegen? Leider habe ich keine sieben Gulden, um mich von einem Mord freizukaufen. Aber ich verspreche dir, dass

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