Die Schwester der Nonne
ich dich umbringe, wenn du mir jemals wieder zwischen die Finger gerätst.«
Der Schmerz zwang Tobias in die Knie. Er hielt sich die Hände vors Gesicht. Zwischen seinen Fingern tropfte das Blut auf seine Kutte. Der heftige Schmerz raubte ihm fast die Sinne. Er warf sich auf den Boden und hielt sein Gesicht ins Wasser. Der strömende Fluss schlug ihm wie mit einer unsichtbaren Hand ins Gesicht.
Tobias fürchtete sich vor Wassergeistern, bösen Nixen, die ihn hineinziehen könnten oder verhexen. Aber der Schmerz ließ nach und betäubte seine Sinne. Erst als ihm die Luft knapp wurde, richtete er sich wieder auf.
Das Paar war verschwunden, und Tobias hatte keine Lust, ihnen zu folgen. Seine Nase schien um ein Vielfaches größer geworden zu sein und sein Blick dafür trüber. Stöhnend legte er sich ins Gras und schloss die Augen. Er sah bunte Kringel tanzen und Blitze zucken, und dann füllte sich sein Hirn mit einem blutigen Rot. Rache, schwor er sich im Stillen. Er wollte blutige Rache.
Mühsam rappelte er sich auf und wankte zur Brücke. Seine Kutte war nass und blutbesudelt. Er zog sich die Kapuze tief ins Gesicht, um sein Schandmal zu verbergen.
Tobias fand Benedictus in der Klosterkirche, wo er von einer Bank aus den Chorknaben lauschte, die oben auf der Empore sangen. Die hohen reinen Stimmen flogen wie Vogelschwingen in das Gewölbe des Kirchenschiffes hinauf und lobten Gott durch ihre Reinheit.
Benedictus liebte Knaben über alles. Er behielt es sich vor, sie persönlich auszusuchen. Es war eine Gnade und eine Ehre, zum Knabenchor zu gehören, und viele Eltern versuchten, ihren Söhnen mit einer Spende einen Platz im Chor zu verschaffen. Selbstverständlich sah Benedictus solches Bestreben gern.
Allerdings reichte eine Spende allein nicht aus, um Mitglied im Chor zu werden. Die Stimmen mussten besonders klar und rein sein und sehr hoch klingen. Das konnten sie nur, wenn die Knaben noch jungfräulich waren und kein Haar ihren kindlichen Körper verunstaltete. Benedictus überzeugte sich höchstpersönlich davon, dass der Knabenkörper weiß und glatt und haarlos war, das Zipfelchen klein und weich und das Hinterteil rund und fest wie ein knackiger Apfel war. Nur dann fanden sie Aufnahme in der Klosterschule.
Diese Schule befand sich in der Novizenanstalt und wurde von einem Novizenmeister geleitet. Die Pueri oblati wurden in Psalter und Gesang, in der heiligen Schrift, im kanonischen Recht und den sieben freien Künsten unterrichtet.
Benedictus wies den Novizenmeister an, dass die Knaben während der Unterrichtung weit auseinander saßen und sich ältere Mönche zwischen sie setzten und sie trennten. Sie durften keine Worte und keine Zeichen austauschen. Strikt verboten waren Berührungen. Jedes Kind bekam seinen Lehrmönch, der wie sein Schatten immer bei ihm war. Selbst beim Waschen und Verrichten der Notdurft waren diese Schatten anwesend.
Wer von den Knaben sich etwas zuschulden kommen ließ oder gegen die Regeln verstieß, wurde durch Schläge bestraft. Auch hier behielt es sich Benedictus vor, die Strafen selbst auszuführen. Wenn so ein kleiner weißer Hintern nackt und verlockend vor ihm auf dem Sündenbock lag, dann fühlte er ein wahres Entzücken in sich. Mit einer Rute schlug er zu, bis sich rote Striemen abzeichneten.
Das Wichtigste jedoch war der Chorgesang. Der Ruhm des Knabenchores verbreitete sich bereits weit außerhalb der Stadtmauern, und wenn der Kurfürst oder ein anderer hoher Gast in der Stadt weilte, ließ er es sich nicht entgehen, dem reinen Gesang der Knaben zu lauschen.
Auch Benedictus lauschte gern dem Gesang, selbst wenn es nur eine Probe war. Der Chorleiter stimmte gerade ein neues Loblied an und nahm mit seinem empfindlichen Ohr den Ton auf. Der Propst schaute zur Galerie hinauf, wo er die ersten beiden Reihen der Kinder sehen konnte. Hier, und nur hier, durften sie eng beieinander stehen, so dass sie sich beinahe berührten. Die Erregung kribbelte in Benedictus, und je höher die Töne aus den knabenhaften Kehlen stiegen, umso heftiger erregten sie ihn. Er spürte eine Gänsehaut auf seinen Armen und stöhnte zwischen seinen gespitzten Lippen hindurch.
Nicht gleich bemerkte er die gebeugte Gestalt, die sich lautlos von hinten an ihn heranschlich. Erst als sie sich vor ihm auf den Boden warf, zuckte er zusammen.
»Ich habe sie erwischt«, krächzte Tobias.
»Wer? Was?« Benedictus war über die Störung wenig erbaut.
»Diese blonde Hure und ihren Hengst. Sie
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