Die Schwester der Nonne
trieben es am Fluss. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.«
»Am Fluss? An welchem Fluss?«
»Am Elsterfluss im hellen Licht. Deswegen konnte ich es sehen. Sie ist eine Hexe! Sie buhlt mit dem Teufel in Form eines Wassergeistes. Er stieg aus den Fluten und war ganz nackt. Lange Fäden von Wasserpflanzen hingen an ihm herab, als er sich zu ihr gesellte und sie ihr Werk taten. Dabei lachte sie und stieß grelle Schreie aus.«
Benedictus verzog das Gesicht.
»Tatsächlich?«
»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen«, beteuerte Tobias. »Nachdem sich der Wassergeist in ihr verströmt hatte, erhob sie sich in die Luft und flog dreimal drei Kreise.«
Benedictus bekreuzigte sich.
»Und der Studiosus?«
Tobias krümmte sich zusammen, als wütete ein Schmerz in seinem Körper.
»Der trieb es derweil mit einer Nixe, die mit dem Wassergeist aus dem Fluss aufgestiegen war. Sie besaß einen Schwanz wie ein Fisch. Sie trieben Unzucht im flachen Wasser. Sie wälzten sich im Schlamm und riefen immer wieder den Bösen herbei.«
»Tatsächlich?« Benedictus blickte skeptisch und mit einem angewiderten Zug um den Mund auf Tobias herab. Dann beugte er sich vor und befühlte dessen Kutte.
»Auch du bist voller Schlamm und feucht«, stellte er fest.
Langsam hob Tobias den Kopf, und Benedictus zuckte zurück. Unter der Kapuze schaute ihn eine missgestaltete Fratze an, die nur noch entfernt Ähnlichkeit mit Tobias hatte. Aus einem Totenkopfschädel stach ein überdimensionaler Fleischklumpen an Stelle der Nase hervor, schwarz verkrustet von getrocknetem Blut. Dunkelblau umrandete blutunterlaufene Augen starrten ihn an wie ein Dämon, und als Tobias den Mund öffnete, fehlten dort zwei Zähne.
Benedictus riss den Mund auf und schnappte nach Luft.
»Was ist geschehen?«
»Der Wassergeist wollte mich in den Fluss ziehen. Ich habe mich gewehrt und ihn mit Bannsprüchen und heiligen Gebeten vertrieben.«
Angewidert wandte Benedictus sich ab.
»Und der Studiosus? Hat er es auch mit der Preller-Tochter getrieben?«, wollte er wissen.
»Sagte ich doch«, zischelte Tobias. »Schamlos und offen.«
»Und du? Hast wirklich alles gesehen?«
»Alles.«
»Was hast du dabei empfunden?«
»Ekel und Abscheu.«
»Und was noch? Kein Bedürfnis?«
»Nichts weiter. Mein Wille siegte über meinen Körper. Was sonst?«
»Dummkopf, ich meine, ob du das dringende Bedürfnis verspürtest, diesen armen verirrten Seelen zu helfen und sie wieder auf Gottes rechten Weg zurückzuführen.«
»Selbstverständlich. Auf dem ganzen Rückweg habe ich für ihre Seelen gebetet.«
Benedictus schaute nachdenklich auf den Mönch herab, der sich wieder demütig zusammenkrümmte.
»So ein Wassergeist … ist er nicht kalt und glitschig?«
»Ja, Bruder, er verströmt kaltes Wasser und lähmt den menschlichen Atem.«
»Und ist er stark?«
»Wie die Faust eines Landmannes, Bruder.«
»Diese Katharina … ist sie wirklich durch die Luft geflogen?«
Tobias krümmte sich noch weiter zusammen und umklammerte die Beine des Propstes.
»Ich schwöre es bei Gott, Bruder, ich schwöre es bei Gott.«
Benedictus stieß ihn mit dem Fuß zurück.
»Geh ins Aderlasshaus. Der Tonsor soll dich zur Ader lassen, damit der Schleim aus dir herauskommt, der von diesem Wassergeist in deinen Körper gedrungen ist. Lass dir aus der Apotheke eine Kräuterpackung für deine Nase geben. Und dann bring mir diesen Studiosus.«
»Nicht die Hexe?«
»Die kommt später dran.«
Tobias fing an zu winseln. Benedictus trat wieder nach ihm, diesmal kräftiger.
»Du darfst ihn befragen. Ich habe es dir versprochen, du darfst es.«
Der Propst seufzte leise, als sich Tobias trollte, und versuchte, sich wieder auf den Gesang der Knaben zu konzentrieren. Aber es gelang ihm nicht so recht. Schließlich erhob er sich und verließ, auf seinen prachtvoll verzierten Hirtenstab gestützt, der eines Bischofs würdig war, die Kirche.
Draußen kam ihm Brigitte entgegen, die zur Beichte wollte. Benedictus fragte sich, was so eine alte vertrocknete Jungfer zu beichten hätte. Brigitte kam fast täglich, und sie grüßte den Propst mit einem achtungsvollen Knicks. Er antwortete mit einem kaum hörbaren Grummeln. Frauen waren ihm einfach zuwider. Was hatte sich Gott nur dabei gedacht, als er sie schuf? Mochten sie anfangs noch ganz ansehnlich und wohlgefällig dem Auge sein, später wurden sie fett von den Schwangerschaften und trockneten dann zu lebenden Mumien ein. Alles Übel der Welt kam von
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