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Die Schwester der Nonne

Titel: Die Schwester der Nonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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haltet.«
    »Schweig, du Unglücklicher. Glaubst du, ich nehme einfach so hin, was du gegen unsere heilige Mutter Kirche vorbringst? Jedes Wort von dir wird vom Schreiber festgehalten. Nicht Mord, nicht Unzucht oder Schändung sind die wahren Verbrechen, sondern die, die gegen die Kirche und ihre frommen Diener begangen werden. Wer im Glauben irrt, der ist verloren!«
    Benedictus stapfte die Treppe hinauf und überließ Klaus seinem Schicksal und Tobias. Der Schreiber packte hastig seine Papiere zusammen und folgte ihm.
    Klaus lehnte seinen Kopf gegen einen seiner Arme. Das Gefühl in seinen Gliedmaßen hatte er längst verloren. Nie hätte er es für möglich gehalten, einmal in eine derartige Situation zu geraten.
    Er studierte Jurisprudenz, jawohl. Und bislang hatte er das römische Recht für die höchste Form der Rechtsprechung gehalten. Denn wollte man einen Angeklagten verurteilen, brauchte der Richter einen eindeutigen Beweis seiner Schuld. Der sicherste Beweis war ein Geständnis. Viele seiner juristischen Kollegen waren geradezu darauf erpicht, einem Übeltäter mit allen Mitteln ein solches Geständnis abzuringen. Was sollte der Richter tun, wenn der Angeklagte hartnäckig leugnete und nicht gewillt war, sein eigenes Todesurteil zu sprechen? Es war selbstverständlich, ihn mit ausgeklügelten Methoden dazu zu bringen, sein Unrecht einzusehen.
    Bislang war Klaus überzeugt, dass diese Art der Wahrheitsfindung eine rechtmäßige Grundlage für die Rechtsprechung war. Er hielt Folter für ein treffliches und bewährtes Mittel, ja sogar für unentbehrlich. Die Verhörmethoden wurden niedergeschrieben und in Vorschriften und Anleitungen gefasst. Nicht ein Mal hatte er sich Gedanken darüber gemacht, was geschah, wenn es einen tatsächlich Unschuldigen traf oder wenn jemand das Recht zu seinen Gunsten missbrauchte.
    Tobias grinste boshaft und umkreiste Klaus wie eine Katze um eine Schüssel Brei. »Das war’s, du Hurenbock! Du hast dich selbst dem Henker ausgeliefert.« Er kicherte. »Wenn du weg bist, hole ich mir dein Täubchen. Es macht mir nichts aus, wenn sie schon geschändet ist.«
    Klaus hob den Kopf und starrte Tobias mit fiebernden Augen an.
    »Das ist es also, was du willst! Katharina! Eher verdorrt deine Galle, als dass du deine Krallen nach ihr ausstrecken kannst.«
    Er sammelte allen Speichel in seinem Mund, deren er habhaft werden konnte und spuckte Tobias ins Gesicht. Die anschließenden Schläge ließen ihn in eine barmherzige Ohnmacht fallen.
    Benedictus schleppte sich zu seinem Haus. Er musste nachdenken. Aber das konnte er nicht, solange er unter diesem unsäglichen Druck stand. Dieser kleine Student wagte es, ihm, dem Propst von St. Thomas, solche Worte ins Gesicht zu schleudern. Diese Worte sind zu allem Überfluss auch noch protokolliert worden.
    Es war eine Schande. Er musste ein Exempel statuieren. Das Volk brauchte wieder eine Hinrichtung, am besten eines richtigen Ketzers. Damit es sah, was fleischliche Sünde und das Verleugnen der heiligen Mutter Kirche für Folgen hatten.
    Benedictus zitterte vor Wut und überlegte, welche Strafe das kanonische Recht für dieses Vergehen vorsah. Er wollte diesen Kerl brennen sehen! Seine ganze Juristerei sollte ihm nichts nützen, in Glaubensangelegenheiten galt das römische Recht nicht mehr. Claudius Agricola würde über die Stricke fallen, die er sich selbst gespannt hatte.
    Benedictus winkte einem seiner lautlosen Diener, der sich verbeugte und hinüber zum Chor lief. Ihn verlangte es nach Entspannung. Die Knaben mussten singen!
    Eine Stunde später fühlte sich der Propst besser. Eine heitere Gelassenheit hatte von ihm Besitz ergriffen. Zehn Knaben waren es gewesen, zehn Knaben auf einmal … Benedictus war zufrieden, und nun begann auch sein Geist wieder klar zu arbeiten.
    Der Student besaß kein Geld, er konnte sich nicht von seinen Sünden freikaufen. Für Benedictus besaß er keinen Wert. Er würde ihn in einem Schauprozess opfern und damit wieder Ruhe in die aufmüpfige Stadt bringen. Wer würde ihn schon vermissen? Katharina Preller vielleicht. Aber das Wort oder das Gefühl eines Weibes galten ohnehin nichts. Es würde ihr eine nachhaltige Lehre sein.
    Und Hieronymus Preller? Würde er die Sünden seiner Tochter mit einer kräftigen Spende tilgen? Ganz bestimmt! In letzter Zeit waren seine Gaben nur spärlich geflossen. Dabei wurde er mit seinem Handelshaus immer reicher. Er ging überhaupt nicht mehr selbst auf Fahrt, schickte seine

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