Die Schwester der Nonne
stürzte daneben zu Boden.
Als Klaus erwachte, verspürte er als Erstes ein heftiges Dröhnen in seinem Kopf. Als stünde er neben einer riesigen Kirchenglocke, wogten dunkle Töne durch seinen Schädel und verursachten einen anscheulichen, dumpfen Schmerz. Er stöhnte leise auf und versuchte die Augen zu öffnen. Er glaubte, sie weit aufgerissen zu haben, aber es war immer noch stockdunkel um ihn herum.
»Nie wieder rühre ich einen Tropfen Bier an«, schwor er sich. Seine trockenen Lippen fühlten sich an wie zwei Stück Holz. Er wollte sich bewegen, aber es ging nicht. Irgendetwas zog an ihm. Er konnte sich nicht einmal am Kopf kratzen, wo es ihn doch dort so juckte. Und wieder dröhnte die Glocke direkt in seinem Kopf.
»Melchior, Johann, lasst das doch«, stöhnte er. »Lasst mich los, ihr Idioten.«
Er zerrte und zog, um seine Arme zu befreien.
»Verdammt, warum haltet ihr mich fest?«, begehrte er auf.
Plötzlich kam Licht in sein Sichtfeld, eine Fackel. Dann sah er eine schwarze Gestalt. Sie kam ihm irgendwie bekannt vor. Er strengte sein Gedächtnis an, aber es gelang ihm nicht, sich zu erinnern. Durst quälte ihn.
»Wasser«, stammelte er. »Wasser … Johann, bring mir Wasser.« Seine Zunge fühlte sich wie ein unförmiger Klumpen Fleisch im Mund an, und ihm wurde übel.
Er vernahm ein Geräusch, dann huschte ein Schatten über die Wand, die aus groben Steinen bestand. Klaus versuchte sich zu bewegen. Noch immer hielt ihn jemand fest. Etwas stimmte nicht. Diese Wand! Die Wohnung des Magisters hatte verputzte Lehmwände, die mit Kalk gestrichen waren.
Plötzlich bekam er einen ganzen Eimer Wasser ins Gesicht. Es schmerzte wie eine heftige Ohrfeige und nahm ihm den Atem. Röchelnd rang er nach Luft.
Da war sie wieder, die schwarze Gestalt. Sie kam näher und beugte sich über ihn. Nun konnte Klaus auch das Gesicht erkennen. Entsetzt zuckte er zurück. Diese grässliche Fratze mit dem ausgemergelten Gesicht und der zerschlagenen Nase kannte er. Verzweifelt zerrte er an seinen Armen und stellte fest, dass sie gefesselt waren. Er hing an einem Gestell, das wie ein gekipptes Kreuz aussah. Seine Hände waren an den Gelenken an die Balkenenden gefesselt, ebenso wie seine Füße. Es waren keine Stricke, sondern Lederbänder, die ihn fesselten. Durch das Wasser wurden sie noch fester und zogen sich schmerzhaft zusammen.
Der kalte Guss brachte ihn zur Besinnung. Das Wasser rann von seinem nackten Oberkörper. Er versuchte den Kopf zu bewegen. Es schmerzte höllisch, aber es ging. Er blickte an sich herab und stellte fest, dass er nur noch den Rest seines Beinkleides trug. Es war zerfetzt und blutig. Blutig? Mit aufgerissenen Augen suchte Klaus nach der Ursache des Blutes. Es war düster in dem Raum. Nur die Fackel spendete ein kleines, unstet flackerndes Licht. Das Wasser hatte das Blut verdünnt und auf seinem ganzen Körper verteilt. Er glaubte längliche Striemen zu erkennen, als sei er ausgepeitscht worden.
»Binde mich sofort los, du Scheusal«, fuhr er den Mönch an. Doch aus seinem Hals kam nur ein heißeres Krächzen. Er erntete dafür von Tobias ein diabolisches Grinsen.
Verzweiflung und Angst stiegen in Klaus auf. Er war kein Held, der lange körperlichen und seelischen Torturen standhielt. Er prügelte sich schon einmal, konnte auch einen Knuff vertragen und war nicht zimperlich. Aber eine studentische Rauferei oder der Folterkeller eines wahnsinnigen Mönchs, das war schon ein Unterschied. Was wollte der Kerl von ihm? Klaus versuchte mit der Zunge die wenige Feuchtigkeit von seinen Lippen zu lecken. Viel weiter kam er nicht. Tobias bemerkte mit einer gewissen Genugtuung die verzweifelten Versuche des Studenten.
Nicht an Wasser denken, dachte Klaus im Stillen. Du darfst nicht an Wasser denken, Wasser, Wasser …
Tobias plätscherte mit Wasser herum. Er hielt einen zweiten Eimer in der Hand und holte aus. Klaus hoffte, dass er ihn ebenso über ihm ausschütten würde wie den ersten. Doch Tobias achtete sorgsam darauf, dass zwar sein Körper benetzt wurde, nicht aber sein Gesicht.
Klaus zerrte an seinen Fesseln.
Tobias warf den Eimer in die Ecke und griff zur Rute. Er trat näher und funkelte Klaus mit seinen kleinen Augen hasserfüllt an. Plötzlich und ohne Vorwarnung schlug er zu. Die Rute klatschte auf Klaus’ nackte Haut. Der Schmerz war unerträglich. Klaus bäumte sich auf und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Seine Zähne gruben sich in seine Lippen, bis er Blut
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