Die Schwester der Nonne
Leben.«
»Das ist kein Grund, mich hier gefangen zu halten und auszupeitschen. Ich habe kein ordentliches Gerichtsverfahren bekommen. Ich kenne mich aus, ich studiere Jurisprudenz.«
Benedictus lachte hart auf.
»Du redest von Recht und missachtest es gleichzeitig. Du willst ein Studiosus sein?« Er ließ sich ächzend auf seinem Stuhl nieder und betrachtete Klaus nachdenklich. »Du lebst unkeusch und unchristlich. Du missachtest die heiligen Lehren unserer Mutter Kirche, indem du Mädchen verführst, sie schändest und in ihnen den Teufel weckst. Weißt du denn nicht, dass allen Frauen das Böse innewohnt?«
Klaus rang nach Luft und bekämpfte seine Übelkeit. Der Schmerz wütete nicht nur in seinem Körper, sondern auch in seiner Seele.
»Was wollt Ihr mir andichten? Sucht Ihr einen Schuldigen, um von Euren eigenen Sünden abzulenken?«
Das Gesicht des Propstes verfärbte sich.
»Was erlaubst du dir, du Wurm?«, schnaufte er und sprang auf. »Wir empfinden gewaltige Entrüstung, wenn der Übeltäter boshaft leugnet und keine Reue empfindet. Aber es bedarf nicht viel, dich dazu zu bringen, deine Übeltaten zu gestehen und tiefe Reue zu zeigen.«
»Es gibt keine Anklage, so könnt Ihr mich auch nicht verurteilen.«
Klaus bemühte sich, nicht wieder das Bewusstsein zu verlieren, er wollte sich dem Propst mit Worten stellen. Doch es fiel ihm ungemein schwer, irgendeine Form von Haltung zu bewahren.
»Ich liebe Katharina. Ich werde sie ehelichen. Sie wird meine Frau sein. Das hat Gott so gewollt. Daran ist nichts Sündhaftes und Schändliches.«
»Liebe«, schnaufte Benedictus verächtlich, »ist nichts anderes als die Umschreibung eines animalischen Triebes, der fleischlichen Lust, die das Gehirn verdorren lässt, die den Geist in den Wahnsinn treibt und zu frühem Altern und zeitigem Sterben führt.«
Klaus lachte trocken auf und hustete.
»Ausgerechnet Ihr wollt über die Liebe richten? Ausgerechnet Ihr predigt Keuschheit und Unschuld? Wo doch in keiner Abtei und keinem Kloster die Keuschheit mehr einen sicheren Hort hat. Mönche treiben es mit Nonnen, Nonnen treiben es mit Mönchen. Wie viele Konkubinen habt Ihr, verehrter Benedictus? Wie viele Eurer Bastarde krauchen auf Gottes Erden? Haben sich nicht die Freudenhäuser beschwert und verweigerten die Zahlung der Abgaben, weil die Nonnenklöster ihnen Konkurrenz machen? Schleichen nicht dunkle Gestalten durch unterirdische Gänge wie die Maulwürfe zu Mitternacht, um sich durch sündigen Verkehr hinter dem Rücken der Öffentlichkeit zu erleichtern?«
Benedictus schnaubte wütend.
»Die Krone winkt dem, der da aushält im Kampf.«
»Gegen die Natur kann keiner etwas machen«, spottete Klaus. »Sie nimmt keine Rücksicht auf Eure Kittel. Gott hat die Menschen so gemacht, dass sie ihre Körperteile auch benutzen. Hätte es Gott nicht so gewollt, wäre Euer Zipfel längst verdorrt. Der da«, er blickte zu Tobias, »hockt im kalten Wasser des Flusses, um sich seiner Natur zu erwehren. Eure Kutte kann nicht weit genug sein, als dass sich darunter nicht die Natur zu regen begänne, auch wenn Ihr Euch geißelt, um sie auszutreiben. Wie könnt Ihr es wagen, das zu verdammen, was Gott den Menschen geschenkt hat?«
»Du sprichst gegen die Diener Gottes, gegen die Priester, und die Mutter Kirche selbst. Bist du ein Häretiker, der die Priester als Vermittler zwischen göttlicher und irdischer Instanz ablehnt? Du spottest ihrer und begehst damit Ketzerei.«
»Ketzer sind die, die Verrat an Gott begehen«, erwiderte Klaus. »Den Zutritt zum Paradies und den Erlass der Qualen des Fegefeuers kann man auch auf anderen Wegen erlangen, ohne eure fetten Pfründe zu stopfen.« Das erinnerte Benedictus an etwas, das er ohnehin nie aus den Augen verlor. Er kniff seine Augen zusammen und funkelte Klaus böse an.
»Willst du damit sagen, dass du nicht bereit wärst, deine Sünden durch den Kauf von Ablassbriefen zu tilgen und so Vergebung zu erlangen?«
»Davon abgesehen, dass ich keinen einzigen Kreutzer besitze, so würde ich diesen, so ich ihn hätte, lieber in Bier umsetzen oder im Bordell ausgeben, als davon einen Ablassbrief zu kaufen. Ich glaube nämlich nicht, dass man sich damit von Sünden befreien kann, denn Sünde ist etwas Geistiges. Etwas, das nicht mit Geld beglichen werden kann. Ihr so genannten Diener Gottes seid nichts weiter als Betrüger am dummen, ungebildeten Volk, das ihr in einer eisernen Umklammerung aus Angst und Einschüchterung
Weitere Kostenlose Bücher