Die Schwester der Nonne
vereinbaren.«
Katharina bemerkte betroffen den gequälten Zug um Marias Mund. Plötzlich stieg Zorn in ihr auf.
»Du bist neidisch, weil du die Freuden der Liebe nicht genießen kannst. Nein, ich bin dir nicht dankbar! Wenn du zu mir schwesterliche Liebe empfinden würdest, dann würdest du mir helfen, Klaus zu finden. Ich glaube nämlich nicht, dass er sich so einfach von mir fern hält. Er hätte mit mir darüber gesprochen, ob wir uns trennen sollten. Im Gegenteil! Er hat mir seine Liebe in Form wunderbarer Verse geschworen. Danach verschwindet man nicht einfach über Nacht. Klaus ist ein ritterlicher Mann von hehrem Charakter.«
»Klaus ist ein trunksüchtiger Student, der auch in gewisse Häuser geht. Alle Studenten tun das, und sie rühmen sich dessen auch noch. Es ist ungehobeltes Volk, mit dem wir nichts gemein haben. Du solltest die Finger von ihm lassen und ihm nicht noch nachweinen.«
»Du bist gemein! Wie sprichst du von Klaus? Du hast ihn doch auch kennen gelernt und seinen Lektionen gelauscht, und jetzt verdammst du ihn! Du bist wirklich neidisch und eifersüchtig, weil ich nicht meine ganze Zeit mit dir verbringe. Du bist langweilig und blöde. Lies du nur in deiner Bibel, ich lese im Buch der Liebe und der Natur.«
»Dein Geist ist ganz verwirrt von all diesem Zeug, das er dir eingeflüstert hat. Liebe, dass ich nicht lache. Das sagt er dir, um dich zu verführen, und du dumme Gans hast dich verführen lassen und deine Jungfräulichkeit geopfert. Du bist nicht besser als unsere Magd, die es mit jedem Knecht treibt.«
Patsch! Katharinas kleine, aber feste Hand landete auf Marias linker Wange und hinterließ einen krebsroten Abdruck.
»Elende Schlange!« Maria starrte Katharina entsetzt an. Tränen drangen in ihre Augen. Einen Moment überlegte sie, ob sie zurückschlagen sollte. Dann bekreuzigte sie sich und wandte sich ab.
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, sagte sie mit tränenerstickte Stimme über die Schulter.
Katharina blickte ihr hinterher. Im gleichen Moment, wie sie zugeschlagen hatte, bereute sie es schon. Doch es war zu spät.
»Maria, warte! Es tut mir Leid.«
Maria war schon verschwunden.
Katharina war hin und her gerissen zwischen dem Bestreben, Maria nachzulaufen, und herauszubekommen, was mit Klaus los war. Ihre Unruhe stieg. Maria würde sich wohl wieder beruhigen.
Selbst Philomena fand es in letzter Zeit eigenartig, wie zurückhaltend und verschlossen Maria geworden war. Nicht einmal die neue Stofflieferung hatte sie sich angeschaut, wo Hieronymus doch all seinen Frauen ein Kleidungsstück aus dem Stoff ihrer Wahl versprochen hatte. Lieber saß Maria über ihren Büchern oder betete den Rosenkranz.
Die früheren gemeinsamen Spaziergänge der Geschwister gab es schon lange nicht mehr. Das lag zum Teil allerdings auch daran, dass Katharina ihre ganze freie Zeit mit Klaus verbrachte. Da störte eine dritte Person nur. In ihrer Verliebtheit bemerkte Katharina gar nicht, wie sich Maria mehr und mehr zurückzog. Sie fieberte jedem Treffen mit Klaus entgegen. Darüber vergaß sie ihre Schwester schließlich völlig.
Maria lag es fern, sich dazwischen zu drängen, obwohl ihr ihr Gewissen immer wieder sagte, dass es unrecht war, was Katharina und Klaus trieben. Als Mitwisserin machte sie sich mitschuldig. Umso intensiver tat sie Buße, fastete auch außerhalb der Fastenzeiten, betete Rosenkränze oder ging einmal mehr zur Beichte.
Katharina schwor sich, sich mit Maria wieder zu versöhnen, aber zuerst wollte sie herausbekommen, was mit Klaus geschehen war. Es war nicht typisch, dass er so spurlos verschwand.
Um die nächste Mittagszeit hielt sie sich in der Nähe des Thomasklosters auf, wo die Vorlesungen von Magister Siebenpfeiffer stattfanden. Sie wollte nicht Siebenpfeiffer befragen, denn der hielt sich bedeckt, sondern Klaus’ Kommilitonen. Sie kannte Johann und Melchior von dem Besuch im Preller ’ schen Hause.
Katharina erkannte die beiden jungen Männer sofort wieder. Eher zufällig schob sie sich in ihre Nähe, getarnt mit einem schlichten braunen Umhang und einem Handkorb über dem Arm.
»Verzeiht, Ihr Herren, Ihr seid doch Johann und Melchior, die Freunde des Studiosus Klaus. Unser Vater macht sich Sorgen um den jungen Herrn, der seit einigen Tagen nicht mehr zu uns kommt. Ist er krank? Benötigt er Medizin? Unser Vater würde ihm gern helfen.« Die beiden blieben stehen und schauten die Frau erstaunt an. Ein wenig schob Katharina die Kapuze
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