Die Schwester der Nonne
getrieben, he? Sag, was hast du getan? Hast du mir Schande bereitet?«
»Wir haben nichts getan, was Liebende nicht tun sollten«, begehrte Katharina auf, doch Hieronymus war schon bei ihr und zerrte sie vom Bett. Maria warf sich verzweifelt dazwischen; er stieß sie grob zur Seite.
»Du elendes Weibsstück, du undankbares Balg! Habe ich dir nicht all meine Liebe angedeihen lassen? Dankst du mir es so? Machst du mich vor der ganzen Stadt zum Narren? Sollen die Ratsherren und der Pöbel mit den Fingern auf mich zeigen? Das ist der, dessen Tochter zur Hure wurde!«
»Vater, bitte, nein! Ich liebe Klaus.«
Hieronymus war wie von Sinnen. Selbst der freien Liebe und dem süßen Leben nicht abhold, wollte er seine Kinder vor dem Schmutz der Welt behüten und beschützen. Sie waren sein Ein und Alles, sein großer Reichtum. Nun sah er diesen Reichtum befleckt und entehrt. Wieder und wieder schlug er mit seiner kräftigen Pranke auf Katharina ein. Katharina schrie vor Schmerz. Maria schrie, um den Vater vom Schlagen abzuhalten.
Draußen im Gang standen Philomena und die Amme, die Mägde und Knechte. Und ausgerechnet in diesem Moment kam Tante Brigitte dazu.
»Was ist denn hier los?«, fragte sie mit befremdlicher Miene. »Ich wurde nicht einmal an der Haustür empfangen.«
»Jetzt reichte es«, zischte Philomena und riss die Tür auf. Sie fiel Hieronymus in den Arm. »Lass es gut sein. Wenn sie eine Hure ist, dann bin ich auch eine, und du musst mich auch schlagen.«
Hieronymus hielt urplötzlich inne und starrte sie an.
»Hast du es auch mit diesem Kerl getrieben?«
»Natürlich nicht, mein Geliebter. Ich bin dein Weib und tue das, was eine liebende Frau tut. Nichts anderes hat Katharina getan.«
»Das ist etwas anderes. Katharina ist meine Tochter.«
»Na und? Hat sie kein Anrecht auf Liebe?«
»Nein, verdammt noch mal! Sie muss rein und unbefleckt sein. Wer soll sie denn sonst heiraten?«
»Klaus heiratet mich«, schluchzte Katharina. »Er hat es mir geschworen.«
»Ein Student? Ein Rechtsgelehrter? Bist du wahnsinnig? Du würdest ewig Hunger leiden, Not und Armut erdulden. Diesem Habenichts soll ich deine Aussteuer hinterherwerfen? Denk nicht einmal im Traum daran! Wo ist dieser Kerl, damit ich aus ihm Hackfleisch machen kann?«
»In einem schrecklichen Keller, wo ihn ein Mönch halb tot geschlagen hat.«
Hieronymus ließ plötzlich die Arme hängen, als wäre jegliche Kraft daraus gewichen. Dann ließ er sich auf den Stuhl fallen, der bedenklich knirschte.
»Erzähle!«
Die Marienmägde
Es war wie der sprichwörtlich gewordene Gang nach Canossa von Kaiser Barbarossa, den Hieronymus antrat. Noch nie in seinem Leben hatte er sich innerlich so zerrissen gefühlt. Er hatte durch den Handel Reichtum und Wohlstand angehäuft und war sehr stolz darauf. Wie selbstverständlich trug er diesen Reichtum und den Wohlstand auch äußerlich zur Schau. Als Ratsmitglied kümmerte er sich um die Belange der Stadt, deren Bürger er war.
Langsam jedoch spürte er das Alter in seinen Knochen nagen. Obwohl noch immer stattlich von Statur und ansehnlich, plagte ihn mittlerweile so manches Zipperlein. Anstatt mit ihm die Freuden der körperlichen Liebe zu genießen, musste sich Philomena immer öfters als Pflegerin betätigen und Hieronymus mit allerlei Medizin, Tränken und Tees, Wickeln und Bädern wieder auf die Beine bringen.
Sein ganzes Herz gehörte seinen beiden Töchtern. Hinter ihnen traten alle anderen Dinge zurück. Er warf sich selbst vor, ihnen in letzter Zeit zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Komplizierte Handelsbeziehungen, Streit mit Kunden, die Erschließung neuer Märkte und die Veränderung seines Warenangebotes hatten seine ganze Zeit beansprucht.
Er gab für Maria und Katharina viel Geld aus, für ihre Kleidung und für Schmuck, für ihre Aussteuer und ihr Wohlergehen, für ihre Bildung und ihre Zerstreuung. Fast jeden Wunsch erfüllte er seinen beiden Herzblättern, seinen geliebten Kindern, die er stets mit verklärten Augen sah. Je älter er wurde, umso inniger liebte er seine Töchter. Ihr Anblick erfreute sein Auge, ihr Glück machte auch ihn glücklich.
War er blind gewesen? Hatte er nicht bemerkt, dass aus seinen geliebten Küken stolze Hennen geworden waren? Dass aus den lustigen bunten Raupen prächtige Schmetterlinge geschlüpft waren? Dass aus seinen zarten Kindern wunderschöne junge Frauen geworden waren?
Vorbei war die unbeschwerte Kinderzeit, vorbei die
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