Die Schwester der Nonne
vor Schmerz auf und krümmte sich.
»Ach ja, Preller, und dann muss ich Euch noch an ein Gelübde erinnern, das Euer Weib auf dem Sterbebett geleistet hat. Sie hat Eure erstgeborene Tochter dem Klosterleben versprochen. Es ist die Zeit gekommen, das Gelübde einzulösen. Am Freitag nach Mariae Verkündigung wird sie Einzug bei den Marienmägden halten.«
Der Propst erhob sich und verließ den Raum. Hieronymus blieb auf dem Boden liegen, ein geschlagener Mann.
Nach diesem Tag änderte sich das Leben im Handelshaus Preller grundlegend. Hieronymus war nicht wiederzuerkennen. Der bevorstehende Verlust seiner beiden geliebten Töchter ließ ihn um Jahre altern. Selbst Philomenas Liebreiz konnte ihn nicht aufmuntern. Die Mägde und Knechte schlichen auf Zehenspitzen durchs Haus. Keiner wagte zu lärmen oder zu scherzen. Es gab keine Feste, keinen Tanz, keine Musik, keinen Unterricht und keinen Frohsinn.
Die Amme wurde ermahnt, die beiden Mädchen nicht aus den Augen und nicht aus dem Haus zu lassen. Manchmal wurden sie sogar über Stunden in ihrer Kammer eingeschlossen.
Nur einmal kämpfte sich Katharina zu ihrem Vater durch.
»Was wird aus Klaus?«, flehte sie ihn an. »Du kannst ihn doch nicht in dem Keller sterben lassen.«
»Das liegt in Gottes Hand. Wenn ihm der Teufel ausgetrieben wurde, und er die Befragung überlebt, dann lässt ihn der Propst bestimmt frei.«
»Und wenn nicht?«
»Katharina, vergiss ihn! Mit ihm kam das ganze Unglück. Haben wir nicht alle schon genug gelitten? Ich will davon nichts mehr hören.«
»Aber ich! Ich tue alles, was du willst, Vater, aber rette Klaus! Sonst werde ich mir das Leben nehmen.« Wie um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, riss sie das Fenster auf und kletterte auf die Fensterbank. Nur mit Mühe konnte Hieronymus sie daran hindern, hinauszuspringen.
»Ich kann dir nichts versprechen, ich kann nur Benedictus bitten.«
»Nimm all meinen Schmuck. Er ist wertvoll genug, um Klaus von der Anklage loszukaufen.«
Sie riss die Schatulle auf und warf alles auf den Boden. Goldene Ketten, Ringe, Spangen, Diademe, Armreifen und Broschen fielen heraus. Es war alles, was Hieronymus ihr im Laufe ihres Lebens geschenkt hatte. Er starrte Katharina mit brennenden Augen an.
»Du willst deinen ganzen Schmuck für ihn opfern?«
»Ja, das will ich«, erwiderte sie fest.
»Und du schwörst, dass du ihn nie wieder sehen wirst?«
»Das schwöre ich, Vater.«
Hieronymus nahm den Schmuck und ließ das Fenster vergittern.
Das Geschmeide war mehr als fünfundzwanzig Gulden wert. Benedictus nahm das Geld und ließ einen Tag später den Studenten Klaus Landmann mehr tot als lebendig aus dem Kloster werfen.
Katharina war nicht viel geblieben. Mit den letzten Pfennigen bestach sie Walburga, um herauszufinden, wo sich Klaus befand. Walburga passte Johann und Melchior um die Mittagszeit am Fluss bei den Wäscherinnen ab. Sie erzählten ihr, dass Klaus in seiner Kammer bei Magister Siebenpfeiffer lag und dem Tod näher war als dem Leben.
»Bitte, Walburga, du musst ihm helfen«, flehte Katharina, die sich in die Küche geschlichen hatte. »Ich habe ein Briefchen geschrieben, das ihm Mut machen soll. Und hier sind einige Kräuter und Medizinen zur Behandlung seiner Wunden. Du kannst hinaus auf den Markt und in die Gassen. Es fällt nicht auf, wenn du zu seinem Quartier gehst.«
»Der Herr wird mich hinauswerfen, wenn er es erfährt«, klagte Walburga. »In meinem Alter! Ich weiß doch nicht, wo ich dann hinsoll.«
»Er wird es nicht tun, weil er dich braucht. Er kann nicht jeden hinauswerfen. Gerade jetzt nicht. Ich aber kann nicht leben, wenn ich weiß, dass Klaus im Sterben liegt. Es war meine Schuld, dass es so weit gekommen ist.«
»Na gut«, lenkte Walburga ein und verstaute Brief und Medizin in ihrem Weidenkorb, mit dem sie immer zum Markt ging, um für die Küche einzukaufen.
Es schien Walburga wirklich nicht geheuer, und ihr schlichter Geist fürchtete alles, was mit Hexen, Teufel und Hölle zu tun hatte. Sie bekreuzigte sich und betete still das Vaterunser, während sie hinunter zur Thomaspforte ging. Sie konnte sich ja damit herausreden, dass sie Fische kaufen wollte, die fangfrisch draußen am Mühlgraben feilgeboten wurden. Dort mussten sich auch die Studenten herumtreiben, die während ihrer Mittagspause ihre derben Scherze mit den Wäscherinnen trieben.
Sie wusste nicht mehr so genau, wie Johann und Melchior aussahen. Katharinas Beschreibung war recht vage. In Walburgas
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