Die Schwester der Nonne
sie dann gekauft? Konnte das nicht Walburga erledigen?«
Maria schüttelte den Kopf.
»Ich brauchte doch einen Grund, um zum Fluss zu gehen.«
Katharina riss die Augen auf.
»Zum Fluss? Was wolltest du am Fluss?«
»Sagtest du nicht, da sind die Wäscherinnen und bei ihnen die Studenten?«
»Maria, du warst …« Katharina verschlug es die Sprache und den Atem dazu. Mit tränenfeuchten Augen starrte sie ihre Schwester an. Dann rang sie röchelnd nach Luft. »Du hast seine Freunde gesucht?«
»Bilde dir ja nichts darauf ein«, entgegnete Maria barsch. »Ich werde deinen Ungehorsam nicht unterstützen. Ich habe lediglich etwas Medizin für einen kranken Menschen gebracht. Es war meine Christenpflicht.«
Katharina sprang auf und krallte sich in Marias Kleid.
»Weißt du etwas von ihm? Hast du erfahren, wie es ihm geht?«
Maria versteifte sich.
»Ich sagte dir doch, ich werde deinen Ungehorsam nicht unterstützen. Du musst ihn vergessen. Er darf deine Gedanken nie mehr beherrschen, verstehst du? Sonst wird alles noch schlimmer, und niemand kann dich mehr retten. Vater liebt dich auch, vergiss das nicht. Und es hat ihm das Herz gebrochen, dass du ihn so hintergangen hast. Du solltest nichts tun, was Vater töten könnte. Das würde ich dir nie verzeihen.«
Sie blickte Katharina streng an, und diese senkte den Kopf.
»Ja, Maria, ich werde es beherzigen. Und … danke für dein großes Herz.«
Täglich verließ Maria die gemeinsame Kammer und kehrte einige Zeit darauf schweigend zurück. Sie erzählte nicht, wo sie gewesen war, sie erzählte nicht, was sie erlebt hatte, sie erzählte nicht, was sie getan hatte. Sie brachte das Essen für Katharina und sich. Dann speisten sie schweigend, und anschließend versank sie wieder in stillem Gebet.
Katharina fragte nicht, drang nicht weiter auf sie ein. Aber sie ahnte, dass die Schwester mehr als nur ihre Christenpflicht tat. Es war ein ganz besonderer Liebesbeweis. Nachts nahm Katharina die Schwester in die Arme und weinte das Kissen nass.
Der Tag von Maria Verkündigung kam heran. Wenn Katharina ein winziges Fünkchen Hoffnung hegte, dass Benedictus die Einforderung des Gelübdes vergessen hätte, so sah sie sich getäuscht.
Bereits am frühen Morgen wurde es im Haus unruhig. Die Mägde hasteten mit klappernden Holzpantinen umher, Philomenas befehlende Stimme schallte durchs Haus. Walburga brachte Hieronymus das Frühstück ans Bett, doch er schob es beiseite. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan.
Die Amme betrat die Kammer der Mädchen und bemühte sich um eine würdevolle Miene. Es gelang ihr nicht so recht. Hinter ihr tauchte Tante Brigitte auf. Sie ging zu Maria und umarmte sie.
»Dein Herz sollte Freude zeigen«, sagte sie mit leisem Vorwurf in der Stimme. »Ich wäre froh gewesen, hätte ich den rettenden Hafen des Klosters erreicht. Leider war mir das Schicksal nicht gnädig. So musste ich mich allein durchs Leben schlagen. Bei den frommen Schwestern wirst du es sehr gut haben. Deine Seele wird befreit und kann sich gänzlich der Liebe zu Gott zuwenden. Was gibt es Schöneres?«
Maria stand bleich mitten im Zimmer und ließ Tante Brigittes fragwürdige Lobeshymnen über sich ergehen. Die Amme lief eilfertig um sie herum, legte Kleidung bereit und forderte Katharina mit Blicken dazu auf, sich anzukleiden. Fahrig war sie ihr beim Schließen der Kleider behilflich. Hieronymus erschien in der Tür und blickte ergriffen zu seiner Tochter. Maria trug ein schlichtes Hemdkleid aus Nessel, gegürtet mit einem Strick. Katharina standen die Tränen in den Augen.
»Mein Gott, sie sieht aus wie eine verurteilte Verbrecherin«, stöhnte Walburga und bekreuzigte sich. Sie schleppte den Eimer mit Waschwasser heraus. Philomena sprang beiseite, weil das Wasser überschwappte und ihre Füße benetzte. Doch diesmal beschimpfte sie die Magd nicht.
Es klopfte dreimal kräftig gegen die Tür.
»Das ist der Propst«, rief Hieronymus. Maria begann zu zittern.
Philomena legte ihren Arm um Marias Schulter.
»Warum hat deine Mutter dieses Gelübde abgelegt?«, klagte sie. »Niemand kann dich mehr erretten, so gerne ich es auch getan hätte. Sei tapfer, Maria. Dein Name wird dir die Kraft verleihen, die du für dein neues Leben benötigst. Du wirst sehen, du hast dich bald an alles gewöhnt, die Regeln, die Arbeit, die Schlichtheit. Deine Seele wird schneller zu Gott finden als hier inmitten des Luxus und der Verderbtheit.«
Das sagte ausgerechnet Philomena, und es
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