Die Schwestern des Lichts - 3
noch, er hatte ihn mit eigener Hand angelegt, und zwar, weil Kahlan ihn darum gebeten hatte. Weil sie an ihm zweifelte.
Zum allerersten Mal, seit er ihn angelegt hatte, zwang er sich, an etwas anderes zu denken. Er konnte nicht länger an Kahlan denken, es war zu schmerzhaft. Er war der Sucher – es gab andere Dinge, über die er nachdenken mußte, wichtige Dinge. Mit einem sanften Druck seiner Unterschenkel auf den Sattelgurt seines Pferdes trieb er es nach vorn und holte den kastanienbraunen Wallach der Schwester ein.
Richard wollte die Kapuze seines Gewandes nach hinten schieben und stellte fest, daß er sie nicht einmal übergestreift hatte, also fuhr er sich statt dessen mit den Fingern durch sein nasses Haar.
»Es gibt ein paar Dinge, über die wir uns unterhalten müssen. Wichtige Dinge, von denen Ihr nichts wißt.«
Sie warf ihm einen unbeteiligten Blick zu. Der Rand ihrer Kapuze verdeckte einen Teil ihres Gesichts. »Und welche Dinge wären das?«
»Ich bin der Sucher.«
Sie sah nach vorn. »Das ist mir nicht neu.«
Ihre ruhige, unbeteiligte Art ging ihm auf die Nerven. »Ich habe Pflichten. Ich habe es Euch schon einmal gesagt: es geschehen wichtige Dinge, von denen Ihr nichts wißt. Gefährliche Dinge.« Sie reagierte nicht. Es war, als hätte er überhaupt nichts gesagt. Er beschloß, gleich zum Kern der Sache vorzustoßen. »Der Hüter versucht, aus der Unterwelt zu entkommen.«
»Wir sprechen seinen Namen niemals aus. Du darfst ihn nicht in einer Weise aussprechen, wie du es gerade getan hast. Das weckt seine Aufmerksamkeit. Wenn wir gezwungen sind, von ihm zu sprechen, bezeichnen wir ihn als den Namenlosen.«
Sie sprach mit ihm wie mit einem kleinen Kind. Kahlans Leben war in Gefahr, und diese Frau behandelte ihn wie ein Kind. »Ist mir völlig gleich, wie Ihr ihn nennt. Er versucht zu entkommen. Und eins laßt Euch gesagt sein: Ich habe seine Aufmerksamkeit bereits geweckt.«
Endlich sah sie zu ihm hinüber – gleichgültig. »Der Namenlose versucht immer auszubrechen.«
Richard holte tief Luft und versuchte es noch einmal. »Der Schleier zur Unterwelt ist eingerissen. Er wird entkommen.«
Schwester Verna blickte ihn erneut an, diesmal zog sie den Kapuzenrand zurück, um besser sehen zu können. Braunes, lockiges Haar lugte am Rand der Kapuze hervor. Sie hatte ihre Stirn auf seltsame Art in Falten gelegt. Als ob sie sich amüsierte. In ihren Mundwinkeln spielte die Andeutung eines Lächelns.
»Der Schöpfer selbst hat dem Namenlosen seinen Platz zugewiesen. Der Schöpfer selbst hat mit Seiner eigenen Hand den Schleier vorgezogen, um ihn dort festzuhalten.« Ihr Lächeln wurde etwas breiter. Dabei rückten ihre Brauen etwas aneinander, so daß sich ihre wettergegerbte Stirn in Falten legte. »Der Namenlose kann seinem Gefängnis nicht entkommen. Hab keine Angst, mein Kind.«
Vor Wut explodierend riß Richard sein kastanienbraunes Roß herum zur Schwester. Die beiden Pferde stießen aneinander, wieherten und warfen die Köpfe in den Nacken. Richard schnappte sich die Zügel des Pferds der Schwester mit festem Griff, um zu verhindern, daß es sich aufbäumte oder durchging.
Er beugte sich zu ihr hinüber, seine Brust hob und senkte sich immer noch vor Wut. »Ich lasse mich nicht beleidigen! Ich lasse mich nicht beschimpfen, nur weil ich einen Halsring trage! Ich bin Richard! Richard Rahl!«
Schwester Verna verzog keine Miene. Ihre Stimme blieb glatt und ungerührt. »Tut mir leid, Richard. Die Macht der Gewohnheit. Ich bin gewohnt, mit Knaben umzugehen, die viel jünger sind als du. Es war nicht herabwürdigend gemeint.«
Unter ihrem festen, starren Blick fühlte er sich plötzlich töricht, peinlich berührt. Wie ein kleines Kind. Er ließ die Zügel los. »Entschuldigt, ich wollte nicht so brüllen. Doch befinde ich mich nicht gerade in bester Stimmung.«
Sie runzelte erneut die Stirn. »Ich dachte, du heißt Richard Cypher.«
Er zog das Gewand vor seine Brust, dort, wo der Verband seine Brandwunde bedeckte. »Das ist eine lange Geschichte. George Cypher hat mich wie seinen eigenen Sohn großgezogen. Erst vor kurzem bin ich dahintergekommen, daß ich in Wahrheit Darken Rahls Sohn bin.«
Die Falten auf ihrer Stirn wurden tiefer. »Darken Rahl. Der mit der Gabe, den du getötet hast? Du hast deinen eigenen Vater umgebracht?«
»Seht mich nicht so an. Ihr habt ihn nicht gekannt. Ihr habt keine Ahnung, was für ein Mann er war. Er hat mehr Menschen ins Gefängnis geworfen, gefoltert
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