Die Schwestern des Lichts - 3
als sie an Ställen vorbeistapften, in denen man allen Pferden die Kehle durchgeschnitten hatte, vorbei an Gasthäusern und Herrschaftshäusern, deren hohe Gesimse sie vor der grellen Sonne schützten. Die gekehlten Holzsäulen zu beiden Seiten einer Eingangstür hatte man mit einem Schwert bearbeitet, scheinbar aus keinem anderen Grund als dem, die Eleganz des Wohnhauses zu verunstalten.
Im Schatten war es kälter, aber das war ihr egal. Sie stiegen über Leichen, die mit dem Gesicht nach unten und Wunden im Rücken im Schnee lagen, und mußten umgekippten Wagen und Kutschen ausweichen, toten Pferden und toten Hunden. Das alles verschmolz zu einem sinnlosen, irrsinnigen Bild der Zerstörung.
Gesenkten Blicks stapfte sie weiter durch den Schnee. Die Luft war schneidend kalt, und sie zog den Umhang wieder fester um sich. Die Kälte entzog ihrem Körper nicht nur die Wärme, sondern auch die Kraft. Mit grimmiger Entschlossenheit setzte sie einen Fuß vor den anderen, immer weiter Richtung Ziel, irgendwie darauf hoffend, daß sie es nie erreichen würde.
Inmitten der gefrorenen Leichen Ebinissias versuchte sie, die alles erdrückende Leere mit einem stummen Gebet zu füllen.
Bitte, geliebte Seelen, haltet Richard warm.
28. Kapitel
Das ausgetrocknete ebene Land erstreckte sich nackt unter der brüllenden Sonne endlos vor ihnen, erzeugte in der Ferne flirrende Bilder, die in der Glutofenhitze wankten und tanzten wie Phantome eines allmächtigen Feindes. Die zerklüfteten Hügel hinter ihnen endeten in einer Felsbank steinigen Gerölls. Die Stille war ebenso erdrückend wie die Hitze.
Richard wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel aus der Stirn. Das Leder seines Sattels knarzte, als er sein Gewicht verlagerte und wartete. Bonnie und die beiden anderen Pferde warteten ebenfalls, die Ohren nach vorn gerichtet, scharrten gelegentlich mit den Hufen und machten ihrer Anspannung mit einem Schnauben Luft.
Schwester Verna saß reglos auf Jessups Rücken und suchte das ferne Nichts ab, als hätte sie dort etwas von größter Wichtigkeit vor Augen. Vom Erschlaffen ihrer braunen Locken abgesehen, schien ihr die Hitze nicht weiter zuzusetzen.
»Ich begreife dieses Wetter nicht. Es ist Winter. Ich habe noch nie gehört, daß es im Winter so heiß sein kann.«
»Das Wetter ändert sich mit der Gegend«, murmelte sie.
»Nein, das ist nicht wahr. Im Winter ist es kalt. So heiß wie jetzt ist es nur im Sommer.«
»Hast du im Sommer jemals Schnee auf den Gipfeln gesehen?«
Richard wechselte die Position der Hände auf dem Sattelknauf. »Ja. Aber nur auf den Gipfeln. Die Luft dort oben ist kälter. Wir befinden uns auf keinem Gipfel.«
Sie rührte sich noch immer nicht. »Das Wetter ist nicht nur auf den Berggipfeln anders. Im Süden ist das Klima nicht so kalt wie im Norden. Aber hier spielt noch etwas anderes eine Rolle. Das hier ist wie eine unerschöpfliche Hitzequelle.«
»Und wie nennt sich dieser Ort?«
»Das Tal der Verlorenen.«
»Und wer ist hier verlorengegangen?«
»Die, die es geschaffen haben, und wer immer es betritt.« Endlich wandte sie sich ihm wenigstens ein Stück weit zu und sah ihn an. »Es ist das Ende der Welt. Wenigstens deiner Welt.«
Er verlagerte sein Gewicht auf die andere Seite, als Bonnie dasselbe tat. »Wenn es das Ende der Welt ist, wieso sind wir dann hier?«
Schwester Verna hob die Hand und deutete auf das Land hinter ihnen. »Genau wie Westland, wo du geboren bist, von den Midlands getrennt ist und die Midlands von D’Hara, so sind diese Länder auch von dem getrennt, was am anderen Ende dieser Ödnis liegt.«
Richard runzelte die Stirn. »Und was liegt am anderen Ende dieses Landes?«
Sie drehte sich wieder zu der Weite vor ihnen um. »Du hast in der Neuen Welt gelebt. Jenseits dieses Tales liegt die Alte Welt.«
»Die Alte Welt? Von der Alten Welt habe ich noch nie gehört.«
»Nur wenige aus der Neuen Welt haben das. Man hat sie versiegelt und vergessen. Dieses Tal, das Tal der Verlorenen, trennt die beiden fast genauso, wie die Grenze früher die drei Länder der Neuen Welt voneinander getrennt hat. Das letzte der Länder, die wir durchquert haben, war unwirtlich gewesen, eine öde Wüstenei. Wer immer sich dort hindurchwagt und in dieses Tal hinein, kehrt nicht zurück. Die Menschen glauben, daß dahinter nichts mehr kommt. Sie glauben, dies sei das südliche Ende der Midlands und D’Hara, hinter dem nichts weiter folgt als das, was du hier siehst: eine endlose Wüste, in
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