Die Schwestern des Lichts - 3
zu werden, müssen wir beweisen, daß wir mit ihnen und ihren Seelen im Bund stehen und nicht mit ihren Feinden.
Die Schädel, die wir gesehen haben, sind Schädel der Feinde, die man den Seelen der Majendie geopfert hat. Um durchgelassen zu werden, müssen wir ihnen bei diesem Opfer helfen. Die Majendie glauben, daß Männer mit der Gabe wie alle Männer den Samen des Lebens und ihrer Seele in sich tragen, der ihnen von den Seelen gegeben wurde. Mehr noch, sie glauben, daß jemand mit der Gabe über eine besondere, direkte Verbindung zu den Seelen verfügt. Ein Opfer, welches mit Hilfe eines jungen Mannes, der die Gabe hat, vorgenommen wird, überträgt die heilige Barmherzigkeit ihrer Seelen auf das gesamte Volk. Sie glauben, es haucht ihrem Volk Leben ein, göttliches Leben.
Die Majendie verlangen diese Teilnahme am Opfer, wann immer wir junge Männer zum ersten Mal durch ihr Land bringen, denn sie glauben, dadurch würden deren Seelen mit jenen der Majendie verbunden. Die Zeremonie bewirkt darüber hinaus, daß das Volk, mit dem sie sich im Krieg befinden, einen Haß auf Zauberer hat, denn diese helfen immer nur den Majendie und würden niemals mit ihnen zusammenarbeiten. Dies, so glauben die Majendie, verwehrt ihren Feinden den geheiligten Zutritt in die Welt der Seelen.«
Die Männer auf dem Platz zückten allesamt ihre Kurzschwerter. Sie legten die Schwerter auf den Boden, die Spitze auf die Frau in der Mitte gerichtet, knieten nieder und senkten die blanken Schädel.
»Die Frau, die die Glocke geläutet hat, die in der Mitte, ist die Anführerin dieses Volkes. Die Königin-Mutter. Sie ist diejenige, die mit den weiblichen Seelen verbunden ist. Sie repräsentiert die Seelen der Fruchtbarkeit in dieser Welt. Sie ist die Verkörperung des Gefäßes für den göttlichen Samen aus der Welt der Seelen.«
Die tanzenden Frauen in Schwarz formierten sich zu einer Reihe, verließen die Plattform und kamen auf Richard und die Schwester zu.
»Die Königin-Mutter schickt ihre Abgesandten, um dich zu der Opfergabe zu bringen.« Schwester Verna blickte kurz zu ihm auf und spielte dann nervös mit dem Zipfel ihres Umhangs. »Wir haben Glück. Es bedeutet, daß sie jemanden zum Opfern haben. Wäre dies nicht der Fall, hätten wir warten müssen, bis sie einen ihrer Feinde gefangen hätten. Das kann manchmal Wochen, sogar Monate dauern.«
Richard sagte nichts.
Sie drehte den näher kommenden Frauen den Rücken zu und blickte ihm ms Gesicht. »Man wird dich an einen Ort führen, wo der Gefangene festgehalten wird. Dort wird man dir die Chance geben, ihm deinen Segen auszusprechen. Gibst du deinen Segen nicht, bedeutet das, daß du dem Gefangen beim Opfer vorangehen möchtest. Du würdest also ebenfalls sterben.
Du gibst deinen Segen, indem du das heilige Messer küßt, daß man dir darbieten wird. Du brauchst den Betreffenden nicht selbst zu töten. Du brauchst nur das Messer zu küssen, den Segen der Seelen zu erteilen, dann werden sie das Töten übernehmen. Aber du mußt ihnen dabei zusehen, damit die Seelen das Opfer mit deinen Augen verfolgen können.« Sie warf einen Blick über ihre Schulter auf die Frauen in Schwarz. »Der Glaube dieser Menschen ist obszön.«
Sie seufzte resigniert und drehte sich wieder zu ihm um. Richard verschränkte die Arme und funkelte sie zornig an.
»Ich weiß, das gefällt dir nicht, Richard, aber es hat dreitausend Jahre lang für Frieden zwischen uns und den Majendie gesorgt. Es klingt zwar paradox, aber dadurch werden mehr Menschenleben gerettet, als es kostet. Diese Wilden, ihre Feinde, führen nicht nur gegen sie, sondern auch gegen uns Krieg. Der Palast und die zivilisierten Menschen der Alten Welt werden immer wieder Opfer von Überfällen und wütenden Angriffen.«
Kein Wunder, dachte Richard, sagte aber nichts.
Schwester Verna machte einen Schritt zur Seite und stellte sich neben ihn, als die Frauen in Schwarz sich in einer dunklen Traube vor den beiden zusammendrängten. Sie waren alle älter, vielleicht im Alter von Großmüttern. Und alle waren stattlich, und ihre schwarze Kleidung bedeckte ihr Haar und alles andere bis auf ihre runzligen Hände und Gesichter.
Eine von ihnen zurrte den derben, schwarzen Stoff mit schwieligen Fingern am Kinn fest. Sie verneigte sich vor Schwester Verna. »Willkommen, weise Frau. Seit jetzt schon fast einem ganzen Tag wissen wir durch unsere Posten von Eurem Kommen. Es freut uns, Euch bei uns zu wissen, denn es ist Zeit für das
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