Die Schwestern des Lichts - 3
den Blick auf die Buchseite geheftet. Warrens Zunge schnellte vor und befeuchtete seine Lippen. »Jetzt erzähl mir bitte nicht, daß du d’haranisches Blut in den Adern hast.«
»Mein Vater war Darken Rahl«, sagte Richard leise. »Er war der Zauberer, der D’Hara als letzter regiert hat, und vor ihm saß mein Großvater Panis auf dem Thron.«
»Beim Schöpfer«, flüsterte Warren kaum hörbar.
Pasha legte Richard eine Hand auf den Arm, als sie sich zu den beiden hinüberbeugte. »Unterwelt? Wie kann es Unterwelt bedeuten?«
»Weil«, erklärte Warren, »die Unterwelt die Welt der Toten ist.«
Die Falten auf ihrer Stirn wurden tiefer. »Aber wie kann es ›Bringer der Unterwelt‹ bedeuten? Wie kann man die Unterwelt ›bringen‹?«
Richard starrte leeren Blicks nach vorn. »Indem man den Schleier zerreißt.«
Die Stille hallte durch den steinernen Raum. Pasha blickte von einem Gesicht zum anderen. Schließlich brach sie das Schweigen.
»Aber mir hat man beigebracht, um ein Wort aus einer Fremdsprache in einer Prophezeiung zu übersetzen, das unterschiedliche Nuancen in der Bedeutung aufweist, braucht man es nur im Zusammenhang zu deuten. Eigentlich brauchte man doch nur festzustellen, wie es verwendet wird, um seine Bedeutung zu erschließen.«
Warren zog die Augenbrauen hoch. »Eben darum geht der Streit. In dieser Prophezeiung ist von Dingen die Rede, die sich unter Umständen auf alle drei möglichen Bedeutungen des Wortes drauka beziehen. Je nachdem, welche Bedeutung beabsichtigt war, verändert sich die Bedeutung der Prophezeiung. Aus diesem Grund kann sie nicht mit Gewißheit gedeutet werden. Es ist wie mit einem Hund, der seinem eigenen Schwanz hinterherjagt. Je mehr er es versucht, desto schneller bewegt er sich im Kreis.
Deswegen bin ich auch so versessen darauf, die beabsichtigte Bedeutung des Wortes drauka zu erfahren. Wenn ich die wüßte, dann könnte ich zum ersten Mal den Rest der Prophezeiung korrekt entschlüsseln. Ich wäre der erste in dreitausend Jahren, der sie verstanden hätte.«
Richard schob seinen Stuhl vom Tisch zurück. »Nun, wie schon gesagt, ich bin nicht sehr gut im Rätselraten.« Er zwang sich zu lächeln. »Aber ich verspreche, ich werde darüber nachdenken.«
Warrens Miene hellte sich auf. »Würdest du das tun? Ich wüßte es sehr zu schätzen, wenn du mir helfen könntest.«
Richard drückte Warrens Schulter. »Du hast mein Wort darauf.«
Pasha stand auf. »Es wäre besser, wenn wir jetzt mit Richards Unterricht beginnen. Es wird spät.«
»Danke euch beiden, daß ihr gekommen seid. Ich bekomme nur selten Besuch.«
Pasha vorneweg, gingen die drei zur Tür.
Als sie durch die Türöffnung trat, schlug Richard mit der Hand auf die Metallplatte an der Wand.
Die Tür schloß sich mit einem Knirschen. Pasha trommelte mit den Fäusten gegen den Stein, da der Spalt für sie zu schmal geworden war, um umzukehren. Sie rief, sie sollten die Tür aufmachen. Als der Stein sich schloß, wurden ihre Worte abgeschnitten. Um Richard und Warren war es still.
Warren starrte auf die Metallplatte. »Wie hast du das gemacht? Du bist als Zauberer noch blutiger Anfänger. Eigentlich dürftest du noch lange keinen Schutzschild mit deinem Han beeinflussen können.«
Richard wußte keine Antwort, also ging er darüber hinweg. »Erklär mir, was du damit meintest, du wüßtest, was die Schwestern täten, wenn sie dich bei dieser Art von Lüge ertappten.«
Warrens Hand fuhr zu seinem Halsring. »Nun ja, sie würden mir weh tun.«
»Soll das heißen, sie würden die Magie des Halsrings dazu benutzen, dir Schmerzen zuzufügen?«
Warren nickte und krallte seine Faust dabei in seine Robe.
»Tun sie das oft? Uns mit dem Ring Schmerzen zufügen?«
Warren verdrehte die Faust in seiner Robe. »Nein, nicht oft. Doch um Zauberer zu werden, mußt du eine Schmerzensprüfung bestehen. Von Zeit zu Zeit kommen sie und bereiten dir Schmerzen mit dem Rada’Han, um festzustellen, ob du genug gelernt hast, diese Prüfung zu bestehen.«
»Und wie besteht man diese Prüfung?«
»Na ja, ich könnte mir höchstens vorstellen, daß man die Prüfung besteht, wenn man die Schmerzen aushalten kann, ohne sie zu bitten aufzuhören. Sie haben mir nie erklärt, was man tun muß, um zu bestehen.« Er war aschfahl geworden. »Sobald man gelernt hat, die Schmerzen auszuhalten, die sie einem bereiten, tun sie einem noch mehr weh.«
»So etwas Ähnliches habe ich mir fast gedacht. Danke, daß du es mir
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