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Die Schwestern des Lichts - 3

Die Schwestern des Lichts - 3

Titel: Die Schwestern des Lichts - 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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gesprochen hast.« Warren ging zur rechten Seite des Tisches hinüber. »Dies ist das Original, in der Handschrift des Propheten selbst. Nur wenige haben sie je zu Gesicht bekommen. Verstehst du Hoch-D’Haran?«
    »Nein. Für mich sieht das bloß wie Gekritzel aus.« Richard überflog die für ihn bedeutungslose Schrift. »Du hast gesagt, es bestünde Uneinigkeit über ihre Bedeutung.«
    Warrens Augen glänzten. »So ist es. Du mußt wissen, dies ist eine sehr alte Prophezeiung, vielleicht so alt wie der Palast, möglicherweise älter. Dies ist das Original der Prophezeiung. Sie ist in Hoch-D’Haran wie alles andere in diesem Raum. Nur sehr wenige verstehen Hoch-D’Haran.«
    Richard nickte. »Man hat also immer nur die Übersetzungen gelesen, und es gibt Grund zu der Annahme, daß diese Übersetzungen nicht exakt sind.«
    »Du verstehst es«, hauchte Warren. Seine Bewegungen wurden lebendiger. »Ja, ja, du siehst die Schwierigkeit. Die meisten tun das nicht. Die meisten glauben, etwas in der einen Sprache müsse etwas Bestimmtes in einer anderen bedeuten. Um die Übersetzung abzuschließen, entscheiden sie sich für eine Interpretation, die auf ihre Vorstellung von der Bedeutung paßt, doch dabei erzeugen sie einen Sinnzusammenhang, der vielleicht in der Prophezeiung enthalten ist, vielleicht aber auch nicht.«
    »Doch das läßt die Möglichkeit unterschiedlicher Bedeutungen außer Betracht«, sagte Richard. »Sie geben ihr in der Übersetzung nur eine einzige Bedeutung. Ihren Doppelsinn können sie nicht erfassen.«
    Warren schob sich aufgeregt nach vorn. »Ja! Genau das ist es! Das ist es, was sie nicht begreifen, und deswegen streiten sie über verschiedene Übersetzungen, ganz so, als gäbe es eine richtige und eine falsche. Hier handelt es sich jedoch um Hoch-D’Haran, und Hoch-D’Haran…«
    Warrens Worte verklangen. Richard starrte auf die Seite. Die Bilder dort schlugen ihn in ihren Bann. Fast war es, als flüsterten sie ihm etwas zu. Noch nie zuvor hatte er derartige Worte gesehen, doch sie brachten irgend etwas tief in seinem Innern zum Klingen.
    Wie angezogen von einem der Wörter, streckte er langsam die Hand aus. Seine Finger kamen auf dem Wort zur Ruhe.
    »Dies hier«, flüsterte Richard wie in Trance. Die Linien der Buchstaben schienen sich aus dem Papier zu heben, als wären sie lebendig, und die dunklen Linien schlängelten sich um seinen Finger, zärtlich, streichelnd, mit intimer Vertrautheit. Zusätzlich schwebte ihm das Bild des Schwertes der Wahrheit vor den Augen.
    Warrens weißes Gesicht löste sich aus dem Buch. »Drauka« , sagte er kaum hörbar. »Das ist das Wort, das im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht. Fiter grissa ost drauka – der Bringer des Todes.«
    »Und worum geht es bei dieser Auseinandersetzung?« fragte Pasha. »Willst du sagen, daß man diese Worte unterschiedlich übersetzen kann?«
    Warren machte eine vage Geste. »Ja und nein. Das ist die wörtliche Übersetzung dieser Worte. Die Bedeutung ist es, die strittig ist.«
    Richard zog seine Hand zurück. Er verbannte das Bild des Schwertes aus seinen Gedanken. »Tod. Das kann vieles heißen.«
    Warren lag praktisch auf dem Tisch, als er sich vornüberbeugte. »Ja! Du hast es verstanden!«
    »Der Tod – das ist doch absolut eindeutig«, wandte Pasha ein.
    Warren richtete sich auf und rieb sich die Hände. »Eben nicht, Pasha. Nicht in Hoch-D’Haran. Die Waffe, die die Schwestern mit sich führen, der Dacra, stammt von diesem Wort ab. Drauka bedeutet tot, wenn ich zum Beispiel sage: ›Der Mriswith, den Richard getötet hat, ist tot.‹ Drauka . Tot. Aber es hat auch noch andere Bedeutungen. Drauka steht auch für die Geister der Toten.«
    Pasha beugte sich stirnrunzelnd vor. »Soll das heißen, drauka kann in diesem Sinne ›der Bringer der Geister‹ bedeuten?«
    »Nein«, sagte Richard. Leise sprach er die zweite Bedeutung des Wortes aus: »Seelen. Der Bringer der Seelen.«
    »Ja«, meinte Warren mit leiser Stimme. »Das ist die zweite Interpretation.«
    »Wie viele dieser unterschiedlichen Bedeutungen von drauka gibt es?« fragte Pasha.
    Drei, überlegte Richard.
    »Drei«, sagte Warren.
    Richard kannte die dritte. »Die Unterwelt«, sagte er leise, während er auf das Wort drauka auf der Seite starrte. »Der Ort der Toten. Das ist die dritte Bedeutung von drauka .«
    Blaß wie ein Gespenst beugte Warren sich zu ihm hinüber. »Aber du verstehst doch kein Hoch-D’Haran?« Richard schüttelte langsam den Kopf,

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