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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Ehrengarde des Rates, und wusste, auch feinen Herrschaften war nicht zu trauen. So rannte er die wenigen Schritte zur Bastion Vinzenz, und bald darauf drängten sich zwei Dragoner und ein halbes Dutzend Infanteristen zwischen den Gaffern hindurch.
    Es ist unbekannt, mit welcher Räuberpistole der Pferdeknecht die Soldaten so flink in Bewegung gesetzt und wer dabei zugehört hatte. Jedenfalls machte schon direkt nach der Börsenzeit, wenn die Kaffeehäuser in der inneren Stadt am vollsten sind, die Nachricht die Runde, diese Madam, die eigentlich eine Tanzmamsell war, Sängerin und wer weiß was noch, habe sich auf dem Holzdamm mit zwei Männern gerauft, bis Soldaten eingegriffen hatten. Eine wahrhaft üble Nachrede, die allerdings bald von der sogleich folgenden eigentlichen Nachricht des Tages überflügelt wurde: In der tauenden Alster war eine Leiche entdeckt worden. Ausgerechnet von ebendieser Madam Vinstedt, wo es doch so gut wie unmöglich war, jemanden dort zu entdecken, wenn man nicht schon zuvor gewusst hatte …
    Um diese Zeit hatten auch die Wilhelmsburger Milchleute zum letzten Mal ihren Weg zurück über das Eis bewältigt. Trotz des ständigen Knackens und Schmelzens hatten sie vollzählig und unversehrt ihre Inselhöfe erreicht. Sie waren dafür bekannt, die sicheren Ufer samt ihren Lastschlitten noch zu erreichen, wenn die Eisdecke sich schon in Schollen auflöste. Besonders heute wussten sie ihr Glück zu schätzen, denn der Fluss hatte in diesem Winter immer noch keinen unters Eis geholt. Jedenfalls hatte man davon nichts gehört. Was wiederum Anlass zu Unruhe gab, denn es ließ andere Gefahren befürchten, zum Beispiel eine große Frühjahrsflut. Selbst wenn sie glimpflich ablief, bedeutete sie ersoffenes Vieh und zuerst überflutete, dann für mindestens den halben Sommer sauere Wiesen. Eine Rinderseuche hätte kaum größeren Schaden angerichtet.
    Ein Verunglückter unter dem Eis wäre ihnen lieber gewesen. Nicht gerade einer ihrer Söhne oder Nachbarn, ein Fremder oder einer dieser herablassenden Stadtmenschen allerdings, ein Bruder Leichtfuß ohne Achtung vor den Kräften der Natur – warum nicht? Hätte sie die Nachricht von den Ereignissen beim Holzplatz am Alsterufer noch erreicht, hätten sie aufgeatmet – alles war im Lot, das Frühjahr mit seinen Stürmen mochte kommen.
    Die Männer, die sich darum mühten, die Leiche aus dem brüchigen Eis zu bergen, hatten mit solcher Spökenkiekerei nichts im Sinn. Am Ufer drängten sich immer mehr Neugierige, auch Verkäufer von Zuckerkringeln, Windrädern, kandierten Mandeln und Bildern von sparsam bekleideten Damen fanden sich ein, was heute aber niemand interessierte. Mit einer echten Wasserleiche konnten diese Angebote nicht konkurrieren. Inzwischen waren genug Stadtsoldaten eingetroffen, um die Menge zurückzuhalten. Die Stimmung war gut, besonders bei den Soldaten, deren Dienst seit Tagen von Langeweile und nutzlosem Exerzieren bestimmt gewesen war.
    Es ging auf Mittag, die Sonne hatte mächtig an Kraft gewonnen, wie es manchmal im März geschieht, doch das brüchig erscheinende Eis gab sich alle Mühe, den Äxten und Eishaken, mit denen die Männer versuchten, zu dem vorzudringen, was darin verborgen war, zu widerstehen.
    Womöglich hätten sie aufgegeben, wäre nicht just in diesem Moment der Weddemeister vorbeigekommen, der Mann, der in dieser Stadt für alles zuständig war, was eindeutig oder auch nur möglicherweise nach einem Verbrechen aussah. Da er in Begleitung Dr.   Pullmanns war, des Wundarztes des Stadtmilitärs, wurde ihm mehr Respekt entgegengebracht als einem Zivilisten sonst, insbesondere wenn es sich um einen dicklichen, zudem kurzbeinigen Mann mittleren Alters in einem schlechtsitzenden schwarzen Rock handelte, einen Mann, der auf den ersten Blick weder Autorität noch Scharfsinn ausstrahlte, sondern im Gegenteil eine gewisse, ja, man muss es so sagen, eine gewisse Harmlosigkeit. Ein fatal falscher Eindruck, wie jeder bald erkannte, der mit Weddemeister Adam Wagner zu tun bekam. So verdrückten sich auch bei seinem Erscheinen einige der Schaulustigen hastig in das hinter dem Holzplatz liegende Labyrinth düsterer Gassen, was aber niemandem auffiel, nicht einmal dem Weddemeister, der so etwas sonst stets bemerkte.
    Rosina Vinstedt hockte auf einem Holzstapel nahe dem Ufer, um ihre Schultern lag nun eine Pferdedecke, deren Geruch darauf hindeutete, dass der Stall, aus dem sie entliehen war, dringend ausgemistet werden

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