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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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die außer Karla in seinem Leben bedeutend waren, traulich nebeneinander im Matsch hockten, störte es ihn.
    «Würgemale», beeilte er sich zu sagen, als er schon zu lange geschwiegen hatte. «Schwach, aber eindeutig.»
    Pullmanns Fingerspitzen fuhren, ohne die Haut zu berühren, über den Hals. «Das denke ich auch.» Er erhob sich und verschränkte fröstelnd die Arme vor der Brust. «Eis hin oder her, sie war zu lange in dieser Wässerigkeit, als dass man auf den ersten Blick Eindeutiges feststellen könnte, was allerdings auch sonst nur selten gelingt. Eindeutig scheint mir trotzdem: Sie hat sich nicht freiwillig von unserer schönen Erde verabschiedet. Du wirst herausfinden müssen, wer sie ist, Wagner, und wer dafür gesorgt hat, dass sie nun nichts mehr ist als diese – Hülle. Und nun, schöne Undine, gehörst du dem Stadtphysikus», murmelte er. «Sie muss ins Eimbeck’sche Haus geschafft werden», fuhr er laut fort. «Sie trägt eindeutig keine Uniform.»
    Wagner nickte. Der Militärarzt war nur für die Soldaten zuständig, das wusste er so gut wie Pullmann selbst. Die Ärzte in der Stadt bis hinunter zu den Barbieren achteten eifersüchtig darauf, dass er sich nicht in ihre Geschäfte und Pfründe mischte. Und die Toten, die keines natürlichen Todes gestorben waren, wurden im Sezierraum des Eimbeck’schen Hauses vom Stadtphysikus begutachtet, mehr oder weniger.
    Pullmanns letzte Bemerkung hatte Rosina stutzen lassen. Natürlich trug eine Frau keine Uniform, oder – vielleicht doch? So etwas Ähnliches? Eine Haustracht zum Beispiel.
    «Wollt Ihr nicht die Leute fragen, wer diese Frau war, die gerade so aufgeschrien hat und davongerannt ist?», raunte sie Wagner zu. «Sie scheint doch die Tote zu kennen.»
    «Glaubt Ihr? Das Gesicht ist nicht wirklich gut zu erkennen, von dort drüben, wo die Leute stehen, ganz bestimmt nicht. Ich denke, sie war nur betrunken.»
    Rosina widersprach entschieden. «Sie war leichenblass und voller Schrecken. Irgend etwas hat sie erkannt. Es zumindest angenommen. Wir sollten die Leute schnell fragen. Wenn die Tote erst weggebracht wird, verschwindet auch das Publikum. Dann ist es zu spät.»
    Leider hatte einer der beiden Dragoneroffiziere zugehört und schritt umgehend zur Tat, wie es sich für einen Dragoner gehört, aber nicht immer angebracht ist, sogar wenn es gilt, eine ansehnliche Frau zu beeindrucken.
    «Ganz Eurer Meinung, Madam», sagte er forsch und straffte die Schultern. «Ganz Eurer Meinung! Wenn Ihr erlaubt!»
    Bevor Rosina es verhindern konnte, hatte er sich schon vor der in Auflösung begriffenen Menge aufgebaut und rief mit befehlsgewohnter Stentorstimme, alles möge herhören! Wer die Person kenne, die gerade heulend zur Leiche vor- und dann davongelaufen sei, solle vortreten und ihren Namen bekannt geben. Was einzig dazu führte, dass auch der Rest der Menge sich blitzschnell auflöste. In einer halben Minute war kein Mensch mehr zu sehen. Schon den Männern von der Wedde gingen alle gerne aus dem Weg, wenn die Soldaten auftauchten, war es angebracht, gar nichts zu wissen, noch besser, gar nicht da zu sein.
    Wenn aber sie, Rosina, gefragt hätte, eine harmlose Frau, wenn sie dazu ein recht tragisches, leidendes Gesicht gemacht hätte – dazu war es nun zu spät und die Gelegenheit, schnell und einfach etwas zu erfahren, verpasst. Selbst die streunenden Hunde, die den Holzplatz als ihr Revier sonst niemals kampflos aufgaben, waren geflüchtet.
    Nur die beiden Holzarbeiter harrten aus. Sie hockten einige Schritte entfernt auf ihrem immer noch nicht abgeladenen Wagen. Einer der beiden war totenbleich geworden, als die Soldaten den seltsamen Eisblock aus der Alster hoben, und als das Bein aus der tropfenden Stoffbahn rutschte, hatte er sich hinter dem Wagen erbrochen. Alle hatten nach vorne gestarrt, so hatte außer Rosina, die sich gerade suchend nach ihren Rettern umsah, kaum jemand bemerkt, wie zart besaitet der Mann war, der bis dahin eher grob und stoisch gewirkt hatte.
    Eine Frau, eine noch junge Witwe, hatte es von ihrem Fenster im dritten Stock eines der umstehenden Häuser gesehen. Sie würde es rasch wieder vergessen, wie die ungewöhnlichen Geräusche in einer eiskalten Nacht vor vier, vielleicht sogar sechs Wochen, und deshalb auch niemandem erzählen. Es war ja von keinem Belang.

    Das Waisenhaus stand auf der Landspitze, die zwischen den Einmündungen von Alster- und Rödingsmarktfleet in den Binnenhafen ragte, manche sagten, so gleiche es

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