Die Schwestern von Rose Cottage: Ashley (German Edition)
Begegnung mit den Regenwürmern im Garten.
Gegen zehn Uhr hatte sie im Haus bereits alles getan, was getan werden musste. Sie hatte schon so viel Kaffee getrunken, wie sie sonst am ganzen Tag trank, und sogar einen Muffin sowie eine Banane gegessen. Und das war ebenfalls mehr, als sie sonst um diese Stunde zu sich genommen hatte.
Normalerweise hatte sie um diese Uhrzeit bereits einiges an Arbeit hinter sich und ging jetzt ins Fitnessstudio. Das wäre auch jetzt genau das Richtige für sie gewesen, um ihren Stress ein wenig abzubauen.
Ashley grübelte darüber nach, was sie tun könnte, bis ihr plötzlich der Kajak einfiel, der früher immer in der Garage gelagert gewesen war. Sie suchte nach dem Garagenschlüssel, schloss das Tor auf und war erleichtert, als sie Kajak samt Paddel in der hintersten Ecke stehen sah. Sie schob einige Kartons zur Seite, holte den Kajak heraus und zog ihn dann zum Wasser hinunter. Am Ufer setzte sie sich eine Baseballkappe auf, die sie an der Garderobe gefunden hatte, stieg ein und paddelte los. Mit dem Paddeln ist es so wie mit dem Radfahren – man vergisst nie, wie es geht.
Anfangs blieb sie in der Nähe der Küste, um zu sehen, ob der Kajak immer noch wassertauglich war und nicht womöglich über die Jahre Risse bekommen hatte. Als sie jedoch spürte, dass das Boot sicher war, wurde sie mutiger. Die Septembersonne glitzerte auf der Wasseroberfläche und brannte auf ihre nackten Schultern. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn, wickelte ihr langes Haar zu einem Knoten und steckte es unter die Baseballkappe, bevor sie erneut kraftvoll lospaddelte.
Ashley brauchte einige Zeit, um ihren Rhythmus zu finden. Als ihre Arme und Schultern von der ungewohnten Tätigkeit irgendwann zu schmerzen begannen, ließ sie den Kajak treiben und schloss die Augen. Es ging eine leichte Brise, und sie fühlte sich energiegeladen und gleichzeitig angenehm faul. Vielleicht war es das, was man Entspannung nannte. Wenn das so war, würde sie sich vielleicht sogar daran gewöhnen können. Es war nicht der schlechteste Zustand.
Ein Teil von ihr rebellierte bei diesem Gedanken jedoch sofort. Sie würde sich auf keinen Fall daran gewöhnen. Sie brauchte Herausforderungen und eine gewisse Hektik. Dies hier war bloß eine kleine Unterbrechung ihres gewohnten Lebens, damit sie sich sammeln konnte.
Um sich das zu beweisen, griff sie nach dem Paddel und begann, in Richtung Rose Cottage zu steuern. Sie würde sich nicht in einen trägen Faulpelz verwandeln, auch nicht hier. Nicht mal für drei Wochen.
Ihre Schwestern mochten ihr Laptop, Papier und Stifte weggenommen haben, aber in der Stadt gab es welche zu kaufen. Plötzlich war es ihr ungeheuer wichtig, sich neue Utensilien zu besorgen, um sich endlich wieder um das Wesentliche in ihrem Leben zu kümmern. So angenehm es hier draußen auch sein mochte, sie verschwendete nur kostbare Zeit.
Ashleys Enthusiasmus verschwand allerdings so schnell, wie er gekommen war, als ihr klar wurde, dass sie überhaupt keine richtige Arbeit hatte. Außerdem hatte sie sich vorgenommen, ihre Situation zu überdenken und sich zu überlegen, wie sie in Zukunft weiter vorgehen wollte. Allerdings besaß dieser Gedanke absolut keinen Reiz für sie. Außerdem spürte sie, dass sie im Moment noch gar nicht dazu in der Lage war. Sie brauchte tatsächlich eine schöpferische Pause, um wieder klar denken zu können.
Verdammt, dachte sie und ließ das Paddel sinken, als sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie wischte sie ärgerlich weg und nahm das Paddel wieder auf. Verflixt, sie würde jetzt nicht in Selbstmitleid versinken. Wenn sie schon nicht ihr Können in der Kanzlei und im Gerichtssaal beweisen konnte, so konnte sie wenigstens ihre Technik beim Kajakfahren verbessern. Vermutlich gab es ohnehin genug Anwälte – zumindest für ein paar Wochen.
Jetzt, da Josh die Situation mit Stephanie geklärt hatte, wandte er sich in Gedanken wieder Ashley zu. Er wunderte sich immer noch, wie lange er am Abend zuvor gebraucht hatte, um zu begreifen, dass die anwesenden Frauen alle D’Angelos und Schwestern waren. Und zwar die Enkelinnen von Mrs Lindsey, der Frau, die eine gute Freundin seiner Großmutter gewesen war. Als Kind hatte er die fröhliche Aktivität geliebt, die im Haus weiter oben an der Straße geherrscht hatte. Er war damals ein eher introvertierter Junge gewesen, der viel zu oft über seinen Büchern gesessen hatte und viel zu schüchtern war, um sich Zugang zu dem
Weitere Kostenlose Bücher