Die Schwestern von Rose Cottage: Ashley (German Edition)
erschienen, um sie aufzumuntern. Ashley wusste diese Geste zu schätzen, doch die Bemühungen ihrer Schwestern waren nutzlos. Sie hatte einen Mörder freigesprochen, und sie würde für den Rest ihrer Tage mit dieser Schuld leben müssen. Ihre Karriere hatte einen Knick bekommen, der Stolz auf ihre bisherigen Erfolge war erheblich gemindert.
„Es ist doch nicht deine Schuld“, tröstete Jo, nachdem sie sich mit einer Tasse Kaffee zu ihr gesetzt hatte. „Du hast doch nur deinen Job getan.“
„Ja, ich habe großartige Arbeit geleistet“, erwiderte Ashley mit bitterem Spott und hob ihre Tasse.
„Hör sofort damit auf!“, befahl Maggie verärgert.
Maggie und Melanie, die in Virginia lebten, waren sofort nach Boston gekommen, als sie erfahren hatten, was im Gerichtssaal passiert war. Auf dem Weg zu Ashley hatten sie dann noch Jo abgeholt.
Jetzt saßen sie in Ashleys Penthouse, an dessen Wänden teure moderne Kunst hing und von dem man einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von Boston hatte. Im Moment bedeutete das alles Ashley jedoch nichts – nicht mal die liebevolle Unterstützung ihrer Schwestern. Loyalität war Familientradition. Ashley wusste, dass ihre Schwestern und ihre Eltern immer für sie da sein würden, ganz egal was auch passieren mochte.
„Sie hat recht“, pflichtete Maggie ihrer Schwester bei. „Du hast nur deine Arbeit getan. Nicht jeder, der vorgibt, unschuldig zu sein, ist es auch. Und nicht jeder, der angeklagt ist, ist schuldig. Aber jeder hat ein Recht auf eine faire Gerichtsverhandlung und eine gute Verteidigung.“
Wie oft habe ich genau das gesagt? dachte Ashley. Sie hatte fest an dieses Prinzip geglaubt, aber das Wissen, dass sie einem brutalen Mörder zur Freiheit verholfen hatte, machte sie regelrecht krank.
„Dieser Mann hat mich zum Narren gehalten“, erklärte Ashley ihren Schwestern. „Wie soll ich jemals wieder meinem Urteil trauen? Wie soll es irgendjemand noch tun können? Und was soll ich von den Klienten erwarten? Die werden mich jetzt bestimmt voller Skepsis betrachten. Wahrscheinlich nehmen sie mich überhaupt nicht mehr für voll.“
„Jetzt hör doch auf. Das hier war ein Fall wie viele andere“, verteidigte Maggie ihre Schwester und sah sie besorgt an. „Hör auf, dich selbst fertigzumachen. Du hast schon so viele Erfolge gehabt, Ashley. Die Zeitungen haben dich immer in den höchsten Tönen gelobt.“
„Aber nicht heute“, erwiderte Ashley und wies auf den Stapel Zeitungen, die auf ihrem Tisch lagen. Sie hatte sie alle gelesen, ebenso wie sie sich die Nachrichten von verschiedenen Fernsehsendern angeschaut hatte. „Heute dagegen fragen sie sich, wie vielen anderen Kriminellen ich in den letzten Jahren wohl zur Freiheit verholfen habe. Ich muss zugeben, dass ich mich das selbst auch gefragt habe.“
Jo schaute sie entrüstet an. „Glaubst du denn tatsächlich auch nur eine Minute, dass du bewusst einem Kriminellen geholfen hast?“, fragte sie. „Wenn das so wäre, dann hättest du nämlich recht. Dann solltest du schleunigst deinen Beruf aufgeben und mit etwas anderem dein Geld verdienen. Etwas, wo die Fehler, die du machst, nicht so schwerwiegend sind.“
„Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergehen und was ich jetzt machen soll“, erwiderte Ashley. Unsicherheit war ein völlig neues Gefühl für sie, und es gefiel ihr absolut nicht. Sie war immer die ältere, selbstbewusste Schwester gewesen, die ihre jüngeren Geschwister beschützt hatte. Jetzt selbst Hilfe annehmen zu müssen, das behagte ihr gar nicht.
„Noch gestern habe ich gedacht, dass ich die Wahrheit gepachtet hätte“, fügte sie hinzu. „Jetzt frage ich mich, ob ich vielleicht nur eine clevere Anwältin bin, die sich leichtfertig von einem gerissenen Kriminellen hat blenden lassen. Von einem Mörder, der ein bisschen Charme und ein großes schauspielerisches Talent hat.“ Sie schaute sich im Raum um. „Guckt euch doch mal um, was ich alles gekauft habe, nur weil ich einen gut bezahlten Job habe. Als ich dem Sohn und der Tochter des Opfers in die Augen schaute und ihnen sagte, wie leid mir das Ganze tut, kam ich mir vor wie eine Betrügerin.“
Ihre Schwestern wechselten Blicke untereinander und schienen gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen.
„So, jetzt reicht es aber mit dem Selbstmitleid, Ashley. Das Büßerhemd steht dir nicht. Du wirst mit uns nach Virginia kommen“, erklärte Melanie entschlossen. „Was dir fehlt, ist ein Monat Ruhe und Entspannung im
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