Die Schwestern
ersten Begegnung dein Höschen für ihn fallen lassen. Was, in
aller Welt, hast du dir nur dabei gedacht? Ich hatte dich gebeten, dich unauffällig zu verhalten!»
«Aber du hast auch gesagt, dass aus deiner Abteilung niemand da sein würde, also machte es überhaupt nichts aus, dass du mir
deine Einladung überlassen hast!» Jetzt war auch Deana entrüstet. Wenn Delia weiter auf der Sache herumreiten würde, musste
sie einsehen, dass auch sie mitschuldig war. Wenn sie nämlich so vernünftig gewesen wäre, die Ausstellung selbst zu besuchen,
anstatt mit diesem Ekel Russell auszugehen, wäre es nie so weit gekommen.
Auf einmal wurde Deana mulmig, als sie begriff, dass Delia tatsächlich mit Jake auf der Empore gewesen wäre, wenn sie die
Ausstellung besucht hätte! Ihre Was-wäre-wenn-Gedanken und die möglichen Folgen türmten sich in ihrem Kopf wie ein Kartenhaus
auf, und schließlich kam sie zu der Erkenntnis, dass Delia Jake
mittlerweile
getroffen hatte.
«Was hat er gesagt? Hast du es ihm erzählt? Was hat er dazu gesagt, dass wir Zwillinge sind?», fragte Deana.
«Nicht viel. Nein. Nichts.»
«Was soll das, Delia? Was meinst du damit?» Das mulmige Gefühl beschlich sie erneut, und Deana nahm ein paar weitere Schlucke
von dem Wein, um ihre Vorahnungen auszulöschen.
«Es ist genau so, wie ich sage.» Delias Stimme hörte sich merkwürdig an. Sie klang genauso verwirrt, wie Deana sich fühlte.
«Er hat nicht besonders viel gesagt. Und weilich nicht die Chance hatte, ihm zu sagen, dass wir Zwillinge sind, weiß er auch nichts davon.»
Da die Weinflasche mittlerweile leer war, zupfte Deana nervös an einer Ecke ihres Handtuchs herum. Und obwohl es immer noch
heiß war, fröstelte sie.
«Also denkt er, er hätte gestern Abend mit
dir
geschlafen?»
«Ja.»
«
Delia
Ferraro?»
«Er nennt uns ‹Dee›.»
«Und hat er … War er?»
Wie sollte sie es formulieren? Was sollte sie fragen? Gestern Nacht war ein Mann in ihr Leben getreten, der sie auf eine kaum
zu beschreibende Weise verändert hatte. Er hatte ihr einen kurzen Moment lang ein Fenster zu einem völlig unbekannten Reich
der Sinnlichkeit geöffnet und sie dann genauso schnell wieder geschlossen. Doch nun gab es eine neue Chance. Eine Chance,
die durch die Hintertür kam, voller Komplikationen und Stolperfallen.
«Was hat er dazu gesagt, dass wir miteinander geschlafen haben?», platzte Deana schließlich heraus.
Delias Gesicht glich einem Gemälde. Ungeachtet der Situation, hätte Deana am liebsten einen Stift in die Hand genommen, um
dieses subtile Spiel der Gefühle festzuhalten. Ihre Schwester war verwirrt, ja, doch ihre Miene war auch voller Aufregung,
Wagemut und Erstaunen. Ihre Wut war zwar immer noch erkennbar, doch sie ebbte langsam ab und wurde von etwas abgelöst, das
verdächtig nach Komplizenschaft aussah.
«Nun», sagte Delia schließlich, «er ist ein Mann der Tat, nicht wahr? Und weniger der Worte …»
Deana spürte, wie ihre Gefühle in einen Strudel gerieten, der sich in ihrem Innern so gewaltig drehte und aufbäumte, dass
sie keine Luft mehr bekam. «Dieser geile Bock!», rief sie. «Er hat es auch mit dir getrieben, nicht wahr?» Sie konnte nicht
wirklich sagen, ob sie eifersüchtig oder vollerBewunderung war. Und wenn es Bewunderung war, galt sie dem potenten, treulosen Schönling de Guile? Oder ihrer sonst so umsichtigen,
disziplinierten Schwester, die endlich einmal etwas Unerhörtes getan hatte? Du meine Güte, es war erst kurz nach Mittag. Sie
mussten es im Büro miteinander getrieben haben!
Mit einem Mal lagen sich die beiden Ferraro-Schwestern in den Armen und hielten einander schluchzend fest, nachdem sich die
Anspannung zwischen ihnen auf unglaublich erleichternde Weise gelöst hatte. Sie bombardierten sich gegenseitig mit Fragen,
beide noch immer etwas eifersüchtig, aber mehr noch vollkommen aufgeregt. Als Teenager hatten sie sich ihre Freunde geteilt
und die Jungen gegeneinander ausgespielt, indem sie sich für die jeweils andere ausgaben und nichts davon erzählten. Sie trieben
ihr geheimes Spielchen bis auf die Spitze, um zu sehen, wie lange sie den einfältigen Trotteln vormachen konnten, sie gingen
bloß mit einem Mädchen aus …
Doch zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben hatten sie sich nun einen Mann geteilt – und es war das erste Mal
überhaupt
, dass er gleichzeitig mit beiden schlief. Deana empfand das als ein seltsames, aber
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