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Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Titel: Die Schwesternschaft des Schwertes - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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noch keine Gelegenheit gehabt, ihn von dieser Seite kennen zu lernen, und endlich verstand sie, warum seine Hauptmänner ihm so treu ergeben waren.
    Schließlich standen sie am Rand der Verzweiflung. Tagelang hatten heftige Kämpfe getobt. Die Verluste waren hoch.
    Hungernde und erschöpfte Männer haben wenig Reserven, mit denen sie kämpfen können, und das Haus hatte sich an die Stille der Verzweiflung gewöhnt. Linzel war in ihrer Kammer und gönnte sich einige Minuten des Alleinseins. Ein winziges Feuer brannte im Kamin und verlieh ihr in der nächtlichen Kälte die Illusion von Wärme. Sie saß fast in der Asche, hatte einen wollenen Umhang um sich geschlungen und gestattete sich endlich den Luxus, sich aus der Wirklichkeit in eine Traumwelt zurückzuziehen. Sie ritt breitbeinig auf einem wackeren Pferd mit ihren Brüdern in den hellen, frühen Morgen hinein und balancierte ihren Turmfalken auf dem Handschuh. Der Traum löste sich auf, als Mahlon eintrat und die Tür fest hinter sich zumachte, als wolle er die Welt eine Zeit lang ausschließen.
    Linzel bemerkte seine Müdigkeit, als er auf einen Stuhl zuging, der bisher noch nicht zu Feuerholz geworden war. Er ließ sich schwer darauf nieder, lehnte den Kopf zurück und schloss die dunklen Augen. Dann streckte er die langen Beine in den abgeschabten Stiefeln vor sich aus und legte die Arme mit den großen Händen auf die Lehnen, so dass sie vorn herabhingen. Er war verrußt und dreckig, sein Haar verschwitzt, und er hatte Blut im Gesicht. Ein halbes Dutzend Wunden und Schnitte an Hals und Brustkorb befleckten sein Wams. Linzel wusste, dass es nicht nur sein Blut war. Einiges stammte von gefallenen Kameraden, anderes vom Feind, der die Mauer bereits zweimal an ungeschützten Stellen durchbrochen hatte. Die Angreifer waren zwar zurückgeschlagen worden, aber sie wusste, dass die Männer den Sieg gerochen hatten und die Ruhepause nicht lange währen würde. Mahlon tat ihr schrecklich Leid, da sie wusste, wie verzweifelt er sich bemüht und wie viel er von sich selbst gegeben hatte, damit es anders ausging.
    Zwar konnte sie jetzt nur wenig für ihn tun, doch sie war bereit zu geben, was sie konnte.
    »Wie ist die Lage?«, fragte sie, warf den Umhang ab, zog den kleinen Topf an sich, der über dem Kamin hing, und goss heiße, dünne Brühe in einen Becher.
    »Jämmerlich.« Seine Stimme war belegt und heiser. Sie merkte, wie wund seine Kehle vom Schmutz, vom Rauch und vom Brüllen war. »Ich habe nie daran gezweifelt, dass wir sie zurückwerfen, und es ist uns auch gelungen. Aber wir haben zu viele Männer verloren, und es gibt niemanden, der sie ersetzen kann. Die Männer haben mehr geleistet, als ich von ihnen erwarten kann, aber noch länger stehen sie es nicht durch. Wir sind am Ende. Es tut mir Leid, Linzel.
    Ich habe nicht nur bei den Männern versagt, sondern auch bei dir.«
    Seine dunklen Augen schauten sie fest an, und sie wusste, dass er nicht nur die Belagerung meinte. Zum ersten Mal gestattete sie es sich, die Liebe in seinem Blick wahrzunehmen. Sie schob den dampfenden Becher in seine Hände, und das gleiche einfache Mitgefühl, das ihr das Zittern seiner Hände gezeigt hatte, gestattete ihr, eine flache Schüssel mit Wasser auf den niedrigen Tisch zu stellen und sein Gesicht vom blutigen Schmutz zu säubern. Dankbar und müde wie ein Kind hob er den Kopf, und ihre Berührung war so freundlich und sanft, als wäre er ein erschöpfter kleiner Junge. Er vergrub sein Gesicht in dem Becher und trank einen großen Schluck.
    Als sie ihm die Stiefel ausgezogen hatte, war der Becher leer. Er entfiel seiner Hand und rollte über den Boden. Mahlon war schon eingeschlafen.
    Linzel deckte ihn mit einem Stück Bettdecke zu und nahm wieder Platz, um ein paar kleine Äste in das schwache Feuer zu werfen.
    Ihre Gedanken waren nun nicht mehr auf die Vergangenheit gerichtet. Sie konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt, und ihr agiler Geist dachte über die Umstände nach. Alane trat so heftig in ihr Bewusstsein ein, dass sie sich im gleichen Raum zu befinden schien, und ihre Stimme sagte deutlich: »Ich verspreche es, wenn ich kann, werde ich antworten.«
    Linzel stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf. Ein Adrenalinstoß ließ sie Erschöpfung und Verzweiflung vergessen. Sie warf einen Blick auf Mahlon, doch er war in einen so tiefen Schlaf gesunken, dass sie befürchtete, man könne ihn nicht mal wecken, wenn man ihn brauchte. Sie entnahm ihrer Kleiderpresse ein

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