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Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Titel: Die Schwesternschaft des Schwertes - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Lampe auf den einzigen Tisch, umfasste Carlinas schmale Schultern fest mit ihren großen Händen und schüttelte sie sanft. »Wach auf, Liriel, wach auf! Du träumst nur, Schwester, das ist alles.«
    Carlina starrte Anya mit leerem Blick an, dann erwachte sie und schüttelte sich. »Es war so real«, sagte sie leise. »So unheimlich real.«
    Sie schwang ihre dünnen Beine über den Bettrand, wies Anyas Hilfe sanft zurück und trat an das Fenster ihres kleinen Hauses. Mit nackten Füßen lief sie über den kalten Boden. Im Herbstnebel war nur der bleiche Mond Marmallor über dem Horizont sichtbar; die anderen waren untergegangen.
    »Es war kein Traum«, sagte sie schließlich. »Es war ein Ruf, und ich muss ihn beantworten.«
    Sie wischte sich die letzten Spuren des Schlafes aus den Augen, wandte sich vom Fenster ab und nahm ein schwarzes Gewand von einem Haken an der Wand. »Zuerst muss ich eine gewisse Jandria finden, die bei der Schwesternschaft des Schwertes in Serrais lebt.
    Mit ihrer Hilfe werde ich jene treffen, die ich suche.«
    »Du kannst doch jetzt nicht fortgehen«, protestierte Anya. »Wenn du bis zum Sonnenaufgang wartest, kann eine Eskorte dich begleiten.«
    Carlina schüttelte den Kopf. »So viel Zeit habe ich nicht.«
    »Dann muss ich mitgehen.«
    »Du bist großzügig, Schwester, aber der Ruf gilt nur mir allein.
    Mir wird schon nichts passieren, ich verspreche es dir.« Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie auch schon wusste, dass sie der Wahrheit entsprachen. Allerdings hatte sie keine Ahnung, woher sie es wusste.
    Carlina knöpfte ihr Gewand zu und gab Anya einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Sag Mutter Luciella, dass ich gegangen bin.«
    Sie legte sich einen Umhang um die Schultern, nahm ihren Tornister und ging allein in die Nacht hinaus.
    Das Feuer war heruntergebrannt, und Mirelli Lindir fror. Es war entsetzlich kalt, aber ihr fehlte die Kraft, aufzustehen und die Flammen neu zu entfachen. Sie zupfte schwach an der fadenscheinigen Decke und bemühte sich, ihre Schultern zu bedecken. Aber der Stoffrest war zu klein. Sie rollte sich so eng zusammen, wie ihr aufgeblähter Bauch es zuließ, dennoch war die Erleichterung nur gering.
    Sie glaubte nicht daran, dass sie noch einmal zehn Tage überleben würde. Ihre Fuß- und Handgelenke waren dreimal so dick angeschwollen wie üblich, und heute Morgen war ihr Blick irgendwie grau und verschwommen. Sie war zwar keine Hebamme, aber die Symptome des Schwangerschaftsfiebers waren ihr nicht unbekannt. Ohne eine fachkundige Heilerin würde sie sterben. Doch es gab niemanden, der ihr helfen konnte.
    Ihr flammend rotes Haar war nun stumpf und spröde und hing ihr strähnig ins Gesicht. Mit zitternden Fingern zupfte sie kurz an den schlimmsten Verfilzungen, dann gab sie angeekelt auf. Spielte es noch eine Rolle, wie sie aussah? Es war doch niemand da, der sie anschaute. Rafael war tot. Eine Million Tränen würden ihn nicht wieder zum Leben erwecken.
    Sie hatte ihre Ehre und ihren Platz in der Schwesternschaft des Schwertes für die Liebe eines Laranzu aus dem Turm von Neskaya aufgegeben, ebenso hatte er seinen Platz für seine Liebe geopfert. Sie hatten diese Hütte entdeckt, diesen erbärmlichen Fleck im Nichts, und sie waren eine Zeit lang glücklich gewesen.
    Doch die Liebe, fiel ihr ein, hatte ihn nicht aus den endlosen Streitigkeiten der winzigen Königreiche herausgehalten. Als der Herzog von Hammerfell, sein Vetter, einen Laranzu gebraucht hatte, um den Angriff Aldarans von Scathfell abzuschmettern, war Rafael bereitwillig gegangen - um nie mehr zurückzukehren.
    Er hatte ihr nichts hinterlassen. Sie hatte sich im Alter von fünfzehn Jahren von ihrer Familie und ihrem adeligen Erbe losgesagt, um sich der Schwesternschaft anzuschließen. Für Rafael hatte sie ihre Eide aufgegeben. Nun hatte sie nichts mehr, keine Sippe, keine Familie, keinen Treueeid. Vor einigen Monaten, als sie gemerkt hatte, dass sie schwanger war, hätte sie vielleicht zu Rafaels Familie nach Hammerfell gehen können, doch nun war sie nicht mehr reisefähig.
    Sie wälzte sich stöhnend hin und her und fiel schließlich in einen fiebrigen Schlaf. Und in ihren Träumen rief sie nach Jandria von der Schwesternschaft, die ihre Eidmutter gewesen war.

    Ein Dutzend - wenn nicht mehr - Augenpaare konzentrierten sich fragend auf Carlina, als sie den Speisesaal des Gildenhauses von Serrais betrat. Alle Gespräche erstarben, nicht ein einziger Löffel klapperte gegen eine

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