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Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Die Schwesternschaft des Schwertes - 8

Titel: Die Schwesternschaft des Schwertes - 8 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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schob sich an meinem Stand vorbei, lobte die Qualität meiner Produkte und ging dann weiter. Nun ist Bewunderung zwar erfreulich, zahlt aber nicht die Pacht.
    Zwei schlaksige Heranwachsende kamen zu mir und blödelten mit vieren meiner zierlichen Regenvögel herum. Ich biss die Zähne zusammen und machte gute Miene zum bösen Spiel. Es zahlt sich nicht aus, wenn man potenzielle Kunden vergrault. Schließlich gingen auch sie weiter, und ich bemühte mich, nicht in Panik zu verfallen. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen, und ich hatte noch immer nichts verkauft.
    »Wie ich sehe, stellt Ihr gern schöne Dinge her«, sagte plötzlich jemand.
    »Ja.« Ich blickte in zwei waldgrüne Augen. Die Frau, die mich angesprochen hatte, war keine Terranerin, sondern eine Einheimische. Ihr sicheres Auftreten deutete an, dass sie von hoher Geburt war. Ihr rotblondes Haar wurde von einer Schmetterlingsspange zusammengehalten und fiel in einer weichen Lockenmähne herab. Das Gewand, das sie trug, zeigte das Violett des Himmels in der Morgendämmerung und umschmiegte in unnachahmlicher Eleganz ihren Körper. Obwohl ich sie so alt wie mich schätzte - mit neununddreißig waren wir beide nicht mehr jung -, war irgendetwas Glänzendes an ihr. Ein neidisches Frösteln über das leichte Dasein einer Vai Domna durchfuhr mich. Ich schüttelte es ab. Ich war leicht verlegen, weil sie mir so tief ins Herz geschaut hatte. »Ja, so ist es.«
    »Ich auch.« Sie lächelte mich an. »Habt Ihr etwas dagegen, wenn ich hier bleibe und mich ein wenig ausruhe?«
    »Ihr seid natürlich willkommen, Vai Domna.« Ich hob die Schachtel mit dem Garn von meinem zweiten Hocker und gab ihr mit einer Handbewegung zu verstehen, sie solle hinter den Tisch treten. Sie ließ sich mit einem leisen Seufzer nieder, der wie ein Echo der Erleichterung nach einer langen Reise klang.
    »Bitte, bleibt so lange, wie es Euch beliebt«, fügte ich hinzu. Auch wenn sie von Adel war und Vorrechte genoss: Der Eid erforderte, dass ich jeder Frau, die um Hilfe bat, Beistand gewährte. Und diesen kleinen Beistand konnte ich ihr leicht gewähren.
    Wieder blieb eine Gruppe von Leuten vor meinem Tisch stehen.
    Ich musterte sie sehnsüchtig. Die Dame beobachtete mich. Als die Gruppe sich abwandte, ohne etwas zu kaufen, sagte sie: »Alle schauen nur, aber sie kaufen nichts. War es den ganzen Tag lang so?«
    »Mehr oder weniger«, erwiderte ich verbittert.
    »Ich weiß, dass die Lage in diesem Jahr schwierig war«, sagte sie.
    »Ist es denn so wichtig, dass Ihr etwas verkauft?«
    »Bei der Göttin, ja!«, sagte ich. Es zeugt zwar nicht von gutem Benehmen, Verzweiflung offen einzugestehen, aber inzwischen war es mir egal. Schließlich gehörte meine Zuhörerin dem Adelsstand an und war keine mit dem Kodex vertraute Handwerkskollegin. Mir stiegen Tränen in die Augen, aber ich unterdrückte sie.
    Ich weiß noch immer nicht genau, wie es passierte, aber plötzlich fing ich an, ihr von meinen Sorgen zu berichten. Nicht von den kleinen Sorgen, nicht von den Kräutern auf dem Fensterbrett oder meiner Furcht, mein gemütliches bescheidenes Heim zu verlieren.
    Ich erzählte ihr die Geschichte meiner Tochter. Carlinna war gut verheiratet - wenigstens glaubten dies die Menschen. Ich hingegen, die ich schon vor langer Zeit vorsichtig geworden war, was die Ehe und die Versprechungen der Männer anbetraf, hatte mich unglaubwürdig gemacht, als ich sie gebeten hatte, noch eine Weile auf die Armreifen zu verzichten. Sie hatte einen kleinen Adeligen geheiratet und war hoch ins Kilghard-Gebirge gezogen, wo die Katzenmenschen auf der Lauer lagen und das Wort eines Vai Dom Gesetz war. Dort hatte sie sechs Monate Glückseligkeit erlebt und anschließend einen Ausblick in die Hölle. Denn als Dom Felix’
    Grund und Boden sich in Gift verwandelt hatte, hatte er angefangen, seine Gattin zu prügeln.
    Nun war Carlinna schwanger, und er schlug sie immer öfter. Man hatte das Ungeborene untersucht und wusste, dass es ein Mädchen war. Dom Felix’ Zorn kannte jedoch keine Grenzen.

    »Kann sie nicht irgendwo anders Obdach finden? Vielleicht bei Euren Schwestern?«, fragte die Besucherin sanft.
    »Ach, so hoch im Gebirge gibt es keine Entsagenden«, fauchte ich.
    »Niemand will sie aufnehmen. Alle fürchten den Zorn des Vai Dom.
    Ich …« Ich biss mir auf die Lippe und kämpfte gegen das schlechte Gewissen an, das mir unberechtigterweise zu schaffen machte. Ich wusste, dass jeder Rettungsversuch meinerseits bisher

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