Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
fruchtlos geblieben war. Aber welche Ehre hat eine Mutter, die ihre eigene Tochter nicht beschützen kann? »Ich würde ja selbst gehen, aber ich bin kein Gegner für Dom Felix’ Friedensmänner. Außerdem kann sie in ihrem Zustand keinen langen Ritt ertragen. Das Kind wird bald da sein. Ihre Schwangerschaft war von Anfang an schwierig. Sie könnte niemals weit genug über die Gebirgspfade reiten, um die Ländereien ihres Gatten zu verlassen.«
»Ach so.« Die Frau warf einen Blick auf den von Menschen wimmelnden Platz. Sie trug ihre Gelassenheit wie einen Schleier vor sich her. Sie wirkte wie jemand, der jedes Problem lösen kann, das sich ihm stellt. Meine Machtlosigkeit beschämte mich. Ich fühlte mich genötigt, ihr zu zeigen, dass ich mein Bestes gab.
»Es gibt nur eine Möglichkeit. In ihrer Nähe befindet sich ein terranisches Lager. Die Terraner bohren dort Eisenstangen in den Boden. Sie fliegen in Maschinen hin und her, die wie große flatternde Vögel aussehen. Carlinna schickt mir mit ihrer Unterstützung Botschaften. Die Terraner sind bereit, sie in einem ihrer Vögel von dort wegzubringen, wenn ich … wenn ich für den Flug bezahlen kann. Ich habe versucht, mir etwas zu borgen, aber niemand, der etwas gespart hat, will es einer Frau geben, deren Zukunft so ungewiss ist wie die meine. Ich habe sogar daran gedacht, das Geld zu stehlen … Es ist mir kalt über den Rücken gelaufen. Für mich enden solche Phantasien stets damit, dass ich erwischt und vor das Schiedsgericht gezerrt werde, weil ich die Ehre der Comhi-Letzii verraten habe … Deswegen muss ich unbedingt meine Waren verkaufen … um meine Tochter zu retten.«
»Die Terraner sind ein seltsames Volk«, sagte die Dame nachdenklich. »Wenn sie die Rettung einer Schwangeren von Geld abhängig machen …«
»Immerhin sind sie bereit, mir gegen Dom Felix zu helfen. Ein Terraner hat mir erzählt, sie müssten ein Nichteinmischungsgesetz befolgen, wenn es um einheimische Bräuche geht, aber wenn ein Passagier zahlt, nehmen sie einfach an, dass er es aus eigenem Willen tut.« Ich bemerkte überrascht, dass ich die Terraner verteidigte. Ich hatte im Laufe meines Lebens zwar nur wenig Kontakt mit ihnen gehabt, aber jene, die Carlinnas Botschaften brachten, agierten zurückhaltender als die Männer, die ich normalerweise traf. Als ich an diesem Morgen ins Büro ihres Projektleiters gegangen war, hatte er gesagt, Carlinna könne morgen ausfliegen, wenn ich ihren Flug - welch eigenartige Vorstellung! -
heute Abend bezahlte.
Die Rettung meiner Tochter war so nahe …
»Hmmm.« Die Vai Domna wirkte abgelenkt. Hatte sie mir überhaupt zugehört? »Wie heißt Ihr, Mestra?«
»Ich bin Maura n’ha Caillean.«
Sie nannte ihren Namen nicht. Die Adlige beugte sich vor. Ihr glänzendes Haar strich über die Tischplatte, und sie nahm einen wollenen Umhang in die Hand. Ich schaute ihr zu, als sie ihn schweigend streichelte. Ihre Finger schienen überall dort, wo sie ihn berührte, den Glanz der Farben auf dem warmen Schafsfell zu verstärken. Sämtliche hellen Farbtöne von Evandas Frühlingspalette leuchteten plötzlich in meinem eingewebten Muster. Der Stoff schien die Verspieltheit und Freude eines Lämmchens förmlich auszustrahlen.
Dann nahm sie eine wuschelige staubbraune Hirschponypuppe.
Sie war meiner Meinung nach recht hübsch anzusehen. Bei der Herstellung von Tieren gab ich mir immer besonders große Mühe.
Doch in den Händen der Frau wurde aus dem bloßen Spielzeug -
etwas anderes. Die Augen des scheuen Ponys funkelten voller Liebe; sein Körper strahlte Vertrauen und Stabilität aus. Dann richtete die Dame ihre Aufmerksamkeit auf ein kleines Rabbithorn. Sie drückte es an ihre Wange, und im gleichen Augenblick erkannte ich unter seinem flaumigen Fell wachsame Impulse und eine sanfte Seele.
Sie nahm sich einen Gegenstand nach dem anderen vor. Alles, was sie berührt hatte, schien auf einer neuen Ebene der Perfektion zu erblühen.
Bildete ich mir all dies nur ein, weil ich unter einer starken Anspannung stand? Nachdem ich den ganzen Tag verzweifelt hinter meinen Waren gestanden hatte, konnte ich nicht mehr klar denken. Nun trat die Dame zurück und musterte den Tisch mit einem abschätzenden Blick. Ich fragte mich, ob sie nur etwas gesucht hatte, das sie kaufen konnte. Das wollte ich nicht. Nicht aus Mitleid.
»Wie teuer ist das hier?«
Ein Knabe hob eine große, komisch aussehende Chervine-Puppe hoch. Eine meiner teuersten Kreationen.
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